Sonntag, 27.09.20. Es gibt wenige Tage, da wache ich auf und bin unerwartet heiß aufs Laufen und mein Körper vor Vorfreude in erwartungsvoller, innerer Unruhe. Woher dieser Impuls kommt, weiß ich nicht. Vielleicht habe ich gut geschlafen. Vielleicht etwas Schönes geträumt. Vielleicht habe ich beim Hochziehen der Jalousien unbewusst etwas entdeckt. Manchmal reicht nur ein flüchtiger Sonnenstrahl. Egal, was es auch ist, dann kann ich es kaum abwarten, loszulaufen.
Doch wie fast an jedem Wochenende absolviere ich vorher ein anderes Programm. Frühstücken. Mama abholen und zu meiner Nichte und Neffen fahren. Herumalbern und -spielen. Dann Mama Zuhause absetzen. Nach Hause fahren. Wagen parken. Laufklamotten anziehen. Es ist Mittag. Diesmal genehmige ich mir vorab einen koffeinhaltigen Kaffee in biologisch abbaubaren Kapseln. Ein Werbegeschenk, das ich heute von meinem Bruder bekommen habe, inklusive einer dazugehörigen Nespresso-ähnlichen Kaffeemaschine. Vielleicht gibt das den besonderen Kick.
Mit den Resten des Frühstücks im Bauch und dem Kaffee, aufgemotzt mit Milch & Zucker, laufe ich temporeichlos.
Ich sehe kleine Pfützen aus Licht vor auf dem Asphalt tanzen und möchte da durchplantschen, als mir plötzlich jemand von der Seite »Gutes Tempos!« zuruft. Dann sehe ich einen Rennrad- oder Mountainbike-Fahrer (er erinnere mich nicht mehr), wie er an mir vorbeisaust und ich ihm ein »Danke!« hinterherrufe. Zu meiner Verwunderung klinge ich dabei nicht atemlos oder abgehetzt, sondern normal.
Als ich auf meine Uhr schaue, sehe ich 4:18 für den ersten Kilometer. Das ist wirklich schnell, ein wenig zu schnell. Das, sage ich mir, halte ich keine 10 Kilometer durch. Also nehme ich ein wenig das Tempo heraus und plane, jeden weiteren Kilometer konstant in 4:50 Minuten zu laufen. So wäre ich nahe an meiner letzten Bestzeit von unter 48min. und hätte die Möglichkeit, wenn alles gut läuft, sie ein wenig zu unterbieten, wenn ich ein wenig mein Tempo erhöhe. Also konzentriere ich mich wie beim letzten Mal auf mein Tempo, meine Atmung und auf die Laufumgebung (nichts ist störender als die anderen).
Und dann schaffe ich es, meine Bestzeit um 1:20 Minuten zu unterbieten:
10km in 46:39min.
Es ist jetzt meine fünfte Verbesserung innerhalb von knapp elf Wochen:
- 17.07.20: 10km in 52:39
- 28.07.20: 10km in 51:51
- 27.08.20: 10km in 50:21
- 06.09.20: 10km in 47:59
- 27.09.20: 10km in 46:39
4:40 Minuten habe ich im Durchschnitt pro Kilometer gebraucht.
Wow, ich bin jetzt wirklich von mir beeindruckt und im Moment der Freude wird mir bewusst, dass ich diese Zeit sehr lange nicht übertreffen können werde. Die letzten beiden Bestzeiten sind der Optimierung meines Laufs zu verdanken und nicht der Verbesserung meiner Kondition.
Während ich verschwitzt und wieder mit einem Lächeln mit lockerem Lauf nach Hause laufe, rechne ich mir aus, dass ich mit richtigem Training meine Zeit auf 45 Minuten reduzieren könnte. Mit Können und Glück vielleicht sogar knapp unter 45 Minuten. Dazu müsste ich:
- Meine Distanz erhöhen
- Intervalltraining mit Sprints einbauen und
- 1x die Woche echte Steigungen hoch- und herunterlaufen
Gelänge mir diese Planumstellung, rechne ich weiter, könnte ich es im günstigsten Fall in einem halben Jahr schaffen.
Während ich mir selbst respektvoll für diesen kühnen Plan zunicke, frage ich mich, ob ich es je schaffen werde, jemals die 10 Kilometer um die 40 Minuten zu laufen (irgendwo glaube ich mal gelesen zu haben, dass man damit zu den 1% der Läufer gehören würde, die es geschafft haben). Vielleicht irgendwann, sage ich mir, aber das wäre wirklich die Grenze. Darunter werde ich es in diesem Leben vermutlich nicht mehr schaffen, aber davon träumen schon…
Auf meinem Titelbild ist das auf meine Laufkleidung projizierte
Bild von john_visualz auf unplash.com