10km in 51:51min.

Mein Körper jetzt noch schneller

Dienstag, 28.07.20. Bielefeld. Sprunghaft erhöht mein Herz überrascht, fast überrumpelt, seinen Takt. Es schlägt wie ein von Arbeit gestörter Mitarbeiter, der keine Arbeit gerne annimmt und lieber an andere abschiebt, und fordert von meinem Körper, seine Atemfrequenz zu erhöhen, um mehr Sauerstoff aufzunehmen oder am besten, gleich zu stoppen.

Noch bleibe ich cool und ruhig, fast lässig. Das ist eine schöne Umschreibung meiner eigenen Trägheit. Wenn ich loslaufe, scheine ich alles schlaff hinter mir herzuziehen. Einen müden Körper. Müde Arme. Müde Beine. Müde Muskeln. Ich könnte weitermachen bis zu jeder einzelnen Zelle meines Körpers, ohne fertig zu werden. Und am Ende da oben landen: Einem müden Kopf mit schweren Gedanken, der leider klar genug ist, mir zuzurufen, ach lass es sein! Und doch treibt mich jedes Mal etwas in mir voran, das sich gegen all diese Trägheit in jeder Pore meines Körpers trotzig entgegensetzt.

Übermütig und ein bisschen zu selbstbewusst bin ich zu schnell losgelaufen, was im Widerspruch zu all der aufgezählten Trägheit steht. Es ist wie immer spontan und überhaupt nicht durchdacht. Mit meinen Gedanken hänge ich nämlich woanders, was wiederum für die Trägheit meiner Gedanken spricht. Jetzt, wo ich mir dessen bewusst werde, ist es zu spät. Aufhalten kann ich es nicht mehr. Wenn ich mich jetzt abbremse, dann weiß ich, dass ich gleich einem Luftballon, dem mit der Luft jegliche Energie entweicht, wie ein Lappen durch die Gegend flatterte.

Es klingt übertrieben und ist doch das Bild, das mir durch den Kopf geistert. Etwas in mir sträubt sich gegen ein langsames Laufen, auch wenn mein Körper mir zig Male bewiesen hat, das es sich mit Atemnot und Seitenstechen an unterschiedlichen Stellen zu rächen weiß. Aber, man lernt mit der Zeit, sich und die eigenen Schwächen zu akzeptieren und irgendwie sich damit zu arrangieren. Also, sage ich mir, dann ist das nun mal so und renne weiter, um zu sehen, wohin es mich heute führt.

Denn, obwohl es den Anschein hat, so wie immer zu sein, hat sich etwas in meiner Einstellung und Einschätzung verändert.

Wo früher (also vor wenigen Monaten und all die Jahre davor) mein Lauf ein jähes Ende fand, wenn ich zu schnell (los)lief (eigentlich, wenn ich überhaupt lief), habe ich jetzt die Erfahrung gemacht, dass ich mein Tempo drosseln und während dieses langsameren Zustands mich wie im Ruhemodus erholen kann.

Während des Laufens sich vom schnellen Laufen mit langsameren Laufen zu erholen – das klingt widersprüchlich, konfus oder zumindest für mich überraschend, denn vor kurzem funktioniert mein Körper in dieser Hinsicht binär: Laufen oder nicht laufen.

Und jetzt nach langen, mühsamen Kilometern bin ich zu meiner eigenen Überraschung in der Lage, mit ein paar Sekunden Tempoverringerung mich zu erholen. Manchmal benötigte ich dazu ein paar Kilometer, manchmal nur wenige hundert Meter.

Also laufe ich, ein wenig euphorisch, dass ich immer noch schnell bin und bange, wegen der Sorge, dass mein Körper dem ein abruptes Ende macht, immer noch. Welches Ende erreiche ich schneller? Die 10 Kilometer oder mein eigenes?

Ein zaghaftes Andeuten von Seitenstechen oben auf meiner Schulter, begleitet von meiner rechten Wade, das sich wie beim letzten Mal bemerkbar macht. Ich bin gewarnt, aber merke, es ist nicht so schlimm wie das letzte Mal und nur noch weniger als drei Kilometer liegen vor mir.

Ich schaue auf meine Zeit. Es scheint so, als könnte ich meine bisherige Bestzeit von 52:39 für 10km verbessern. Jetzt also durchhalten, nicht übermütig werden und einfach ankommen!

Tatsächlich schlage ich mich selbst um 48 Sekunden:

10 km in 51:51 min.

Der Unterschied ist nicht hoch, reicht aber für mich, weil es heute nicht so anstrengend war. Ich und mein Körper, wir sind ja eine Einheit und untrennbar, bewegten uns am Limit und heute habe ich diese Grenzen ein Stück für mich verschoben. Und ich fühle mich gut dabei erstaunlich gut.

Aber egal, ob ich zu schnell oder in welcher Geschwindigkeit ich auch laufe, nach dem Lauf fühle ich mich immer besser.

Häufiger bin ich vor dem Laufen sogar kaputter als danach.

Wenn man es nicht selbst erlebt hat, dann fällt es einem schwer, das zu glauben.

Um diese Erkenntnisse selbst nicht zu vergessen, speichere ich sie ab, wie bei einem Computerspiel, um später genau dort weiterzumachen, wo ich eben aufgehört habe.