House of Cards - Staffel 6

House of Cards – Im Schatten des Körpers des toten weißen Mannes

Freitag, 03.05.19. Bielefeld.

Nein, es geht nicht um mich, auch wenn ich die Nacht so schlecht geschlafen habe und so früh aufwachte, dass ich als Untoter wiedergeboren aus meinem Bett auferstanden bin. Äußerlich sieht man es mir kaum an, abgesehen von dem ausdrucklosen Gesicht mit den leeren Augen und abfallenden Mundwinkeln. Jedoch direkt darunter fühlt sich alles kaputt an. Knirschende Gelenke, anklopfender vibrierender Kopfschmerz, benebelter Geist. Ich fühle mich schwach und zerbrechlich. Mimimi!!!

Aber, ich will mich nicht immer beschweren. Früh wach zu werden hat tatsächlich seine Vorteile: Ich kann alles früher machen, früher mit der Arbeit beginnen, früher mit der Arbeit aufhören, früher kommen von der Arbeit nach Hause, früher in die Kiste oder auch früher Netflix schauen. Ich freue mich schon seit gestern, die 6te Staffel von »House of Cards« weiter zu schauen. Entdeckte ich gestern zu meiner Überraschung. Ja, ich bin nicht so auf dem Laufenden.

Also schaute ich heute die 6te Staffel zu Ende. An nur zwei Abenden. Das ging schnell. Und was soll ich sagen?! Gegenüber »House of Cards« ist »Designated Survivor« so harmlos wie ein Katzenvideo auf YouTube!

Claire ist Präsidentin der Vereinigten Staaten und ihr Mann Francis Underwood tot. Mehrfach wird sie sich von ihm distanzieren und versuchen, ihn endgültig zu beerdigen.

In einer Schlüsselszene wandelt sie seinen Spruch vom Schmerz der 1ste Folge in der 1sten Staffel ab und setzt ihre eigene Wahrheit ihm entgegen. Jetzt, so dachte ich, beginnt nicht einfach eine neue Folge einer neuen Staffel, nein, es könnte der Start einer neuen Serie sein!

Leider kommt sie nie aus dem Schatten ihres Mannes heraus. Er ist allgegenwärtig und bestimmt ihr Handeln und Tun. Die Variation des Gleichen durch eine andere Person. Das langweilt mich. Erstaunlich, denn Claire, so dachte ich, ist die, die Francis in den Schatten stellt, ihn besiegt. Nicht mal das hat sie geschafft. Er starb einfach, also war sie an der Reihe. Kein eigener Sieg. Eigentlich nicht ihrer würdig.

Und ihre Gegenspieler? Wer und wie ebenbürtig sind sie?

Das Geschwister-Paar Annette und Duncan Shepherd tauchen für mich aus dem Nichts auf. Ich erinnere mich nicht, sie je in irgendeiner vorherigen Folge gesehen zu haben. Beide unfassbar reich, mächtig und böse – soll das eine Referenz auf die Koch-Brüder sein? Soviel weiß ich nicht über die Brüder. Nur, dass sie die Tea-Party-Bewegung unterstützten. Ich weiß Vieles nicht, leider geistern mir diese Art von Fragen beim Anschauen der Folgen immer wieder durch den Kopf. Kein gutes Zeichen.

Anspielung an aktuelle Personen kommen häufiger vor: die Herrschaft des alten weißen Mannes, Trump etc. An sich nicht schlecht und spannend, was eine mächtige Frau mit einem Kabinett aus Frauen daraus macht. Tja, dachte ich. Wieder falsch gedacht. Denn was bringt es, wenn man bisher eine sehr starke Persönlichkeit wie Claire Underwood kennengelernt hat und sie schwächer als erwartet agiert?

Es liegt nicht an der Schauspielerin Robin Wright, sie spielt ihre Rolle hervorragend. Um Claire stark wirken zu lassen, glaube ich, fehlen eindeutig starke Gegner. Allein ihre “Jugendfreundin” Annette Shepherd, auch großartig gespielt von Diane Lane, die Schwester des Geschwister-Paars scheint eine Klasse für sich zu sein und Claire ebenbürtig. Insgesamt scheinen die Frauen in dieser Staffel starke Rollen zu besetzen. Aber irgendwie machen die nichts Großes daraus.

Liegt es an den Männern, die ihnen ständig im Weg stehen? Männer, die überwiegend schwach, kränkelnd, dem Sterben nahe oder tot sind (Francis Underwood, Douglas Stamper, Mark Usher, Bill Shepherd) – im Gegensatz zu dem starken und unerschütterlichen russischen Präsidenten Viktor Petrov als Gegenspieler und auf seltsamen Wegen ihr »Verbündeter«. Irgendwie witzig.

Das klang für mich nach etwas Neuem, Aufregendem und Neugier flammte immer wieder auf und Hoffnung. So wartete ich Folge um Folge ab, auf diesen einen Moment, wo sich alles ändern sollte. Keine Ahnung, wodurch sich meine Hoffnung nährte. Vielleicht eine Schwäche? Könnte sein. Liegt bestimmt an meinem schlechten Schlaf.

Und dann wird – Achtung kleiner Spoiler – Claire schwanger. Ein gewolltes, taktisches Überbleibsel von Francis. Ähm, ja. Puh. Claire als schwangere Frau, als Mutter…?!

Für mich bleibt die erste Staffel unübertroffen und damit die Hoffnung, dass es irgendwann annähernd so gut wird. Eine Hoffnung, die so nah an der Enttäuschung lebt und die jeder von uns kennt.

der weiße, alte Mann tot und dennoch wirkt er darüber hinaus toxisch wie ein Endotoxin (endlich macht sich das YouTube Video zum toxischen Schock von Dr. Mang bezahlt). Verbrannte Erde.

Was ist die Message? Der alte, weiße Mann ist tot, nur er weiß es nicht? Bringt all diese Männer um? Und wenn sie tot sind, wirken sie über ihren Tod hinaus toxisch wie ein Endotoxin (endlich macht sich das YouTube Video zum toxischen Schock von Dr. Mang bezahlt). Verbrannte Erde.

Frauen an die Macht?! Klar, begrüße ich das, nur, was ändert es, wenn sie das Gleiche in der Serie tun wie die Männer, die sie abgeschafft haben? Wer will das sehen?

Die Wahrheit ist irgendwo da draußen. Vielleicht kommt sie doch in Form einer 7ten Staffel ans Licht der Welt, wie irgendwann Claires Tochter – bei der ich irritierend häufig an Rosemaries Baby denke. Was auch passiert und trotz meiner bescheidenen Kritik, spannend ist die Serie allemal!


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