Bad Stories

Samstag, 29.12.18. Bielefeld.

Am Grad der Zerstreutheit bemisst man das Maß an Intelligenz – und was soll ich sagen, ich bin un-glaub-lich intelligent zerstreut! Ich kann es beweisen, wozu habe ich sonst einen Blog. Da wäre mein Kampf mit der Duschkabine in einem Hotel im wunderschönen Barcelona. Oder mein widerspenstiger Wasserhahn. Oder heute, wie es der Zufall will ebenfalls im Bad, wo ich mich rasiere und den cremigen, weißen Schaum in meiner linken Hand gedankenverloren aufschlage und mir ins Gesicht schmieren möchte.

Während meine Hand im Autopilot mein Gesicht ansteuert, erreichen meine Nase unerwartete Gerüche, die meine ausschweifenden Gedanken wie aus dem Jenseits ins Hier und Jetzt holen. Phenoxyethanol, Methylparaben und Parfüm mit einem Spritzer Zitrone. Der Schaum riecht nicht nur seltsam, sondern fühlt sich falsch an. Also drehe ich mein Gesicht zu meiner sich nähernden Hand und kitzle mit meiner Nasenspitze die Schaumkrone. Es ist – Schaumfestiger!

Gut, alles halb so schlimm wie das eine Mal (nicht im Ferienlager), als ich den Rasierschaum auf meine Zahnbürste sprühte. Ein besonderes Geschmackserlebnis, dennoch nicht nachahmenswert.

Ich bin so häufig in Gedanken versunken, dass ich ständig im Automodus laufe – tatsächlich springt die Maschinerie in meinem Kopf sofort an, wenn sich meine Beine bewegen. Vielleicht langweilt mich die Welt. Daher merke ich erst spät, was wirklich passiert ist. Erst vor einigen Tagen, ich hatte es eigentlich schon vergessen, ereignete sich eine »Bad Story« außerhalb (m)eines Bads. Und sie hätte für mich schlimm ausgehen können, sodass ich jetzt nicht unversehrt hier sitzen und diesen Text hätte schreiben können.

Es ist ein kalter, verregneter Abend in der Woche. Wie so häufig gehe ich über die Spinnereistrasse zum Real. Überquere den Parkplatz an einer Stelle, wo die Lichter nur ihre Schatten werfen, denn zwischen dem Eingang und der Straße befindet sich eine meterhoch umzäunte Fläche.

Ein Stacheldraht krönt den Zaun und erinnert mich an eine Gefängnisanstalt, aus dem niemand flüchten und in die niemand eindringen soll. Tatsächlich werden dort die Pfandflaschen aus Glas gelagert.

Ich gehe an dem Zaun entlang und muss links daran vorbei, also aus dem Schatten ins Licht, als plötzlich ein Auto aus der Ecke schießt. In dem grellen Licht seiner Scheinwerfer leuchten die seichten Pfützen auf und der Fahrer und ich entdecken uns. Ich sehe in seine entsetzten Augen. Wäre ich einen halben Meter weiter rechts gegangen oder er einen halben Meter weiter links, dann wäre es übel für mich ausgegangen. Aber so denke ich mir, welcher Idiot rast über einen Parkplatz?!, weil er mich beim Denken gestört hat.

Mein Ärger währt nur kurz. Kein erhöhter Puls. Kein Herzklopfen. Ich bin nicht cool, nur wieder in Gedanken. Das geht schnell. Ich betrete den Laden mit dem künstlichen Licht und gehe meine Einkaufliste im Kopf durch. Hier drinnen ist es viel zu warm.

Vor dem Tod fürchte ich mich nicht. Höchstens vor dem Sterben, wenn sich der Tod qualvoll in die Länge zieht oder – und das ist wirklich eine erschreckende Vorstellung – vor dem Überleben als Krüppel.

Eigentlich ist es sehr einfach, jeden Tag dankbar zu sein, aber genau in dieser Einfachheit liegt das Problem.

***

Apropos am Arsch. Ich habe das Buch »Am Arsch vorbei geht auch ein Weg« (Amazon Werbelink) heute zu Ende gelesen, und es war eine andere Form der Qual.

Vieles von dem, über das Alexandra Reinwarth schreibt, kenne ich aus meinem eigenen Berufsleben. Aber ich mag nicht diese erzwungene Lustigkeit, bei dem jeder Satz den vorherigen Satz an Witz übertreffen zu wollen scheint und sich aller möglichen Klischees bedient. Ihr Humor scheint sich nur durch (laute) Übertreibung zu speisen statt sich durch eigene, kreative Schöpfungen originell hervorzutun. Mir wären manchmal leise und normale Töne statt schriller lieber, weil ich sie realistischer finde. Immerhin gibt sie am Ende jeder Geschichte Tipps.


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