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Meine festgefahrene Welt oder Warum Linksdrehen in einer rechtsdrehenden Welt hilft

Das ist so im Leben. Am Anfang ist man noch neugierig und offen für alles, aber mit – sagen wir – zunehmender Lebenserfahrung: festgefahren. Ist wie mit einer Schraube, die sich mit der Zeit tiefer und fester in die Wand frisst und am Ende nicht mehr herausgedreht werden kann (im Gegensatz zu einer lockeren Schraube).

Da wären wir auch schon an der Wand, der Wand in meiner neuen Wohnung. Davon habe ich viele. An einer bestimmten hängt im Bad ein Waschbecken. Mattes weiß in klassischer Ovalform. Darin ergießt sich ein silberner Hahn.

Doch bevor meine Geschichte für mich eine unangenehme oder besser, eine peinliche Wendung nimmt – sollte ich erwähnen, dass ich ein Diplom in Informatik von der Universität Bielefeld habe und psychisch stabil bin, ohne gleich ein Genie sein zu müssen.

Also, ich Diplom-Informatiker wollte mir an jenem Tag die Hände im Bad waschen. Ich drehte den Wasserhahn auf. Nach links, denn in meiner Welt war links immer warm und rechts kalt. Eiskaltes Wasser floss hinaus. Es war Winter, aber das war mir egal, ich mag kaltes Wasser zu keiner Jahreszeit, nur zum Trinken.

Ich drehte den Hebel zu und wieder auf. Diesmal näherte ich zaghaft die Spitze meines Zeigefingers an den Wasserstrahl. Immer noch kalt.

Gut, dachte ich mir, das Wasser muss sich noch aufwärmen. Ich wartete. Dann schob ich mutig die ganze Hand unter das Wasser, und ein kalter Schauer durchlief meinen Körper.

Gut, sagte ich mir wieder, denn es war immer noch gut, es gab ja noch den Warmwasseraufbereiter links unten. Ich kniete mich auf Augenhöhe hin und sah, dass ich Staubwischen musste, aber das war hier nicht das Thema. Mit meinem fachmännischen Blick ging ich meine imaginäre Liste durch:

  • Strom ist dran
  • Lämpchen leuchtet grün
  • Ist auf warm eingestellt

Nachdem ich erfolgreich meine Checkliste abgearbeitet hatte und keinen Fehler fand, stand ich ein wenig ratlos dort. Ich schaute auf und blickte in den Spiegel, der ebenso zurückschaute. Mir blieb keine andere Wahl.

Ich informierte meinen Vermieter.

»Kann ich mir das jetzt ansehen?«

»Klar.« Mit meiner schnellen Zusage überraschte ich mich selbst. Denn ich erinnerte mich im gleichen Augenblick an den Staub, der weitere Fragen nach Ordnung und Pflege in meiner Wohnung aufwirbelte.

Doch es war zu spät.

Er beugte sich zum Waschbecken herunter, und seine Brille rutschte auf seiner Nase etwas vor. Behutsam, als handle es sich um ein filigranes Lebewesen, hob er den Hebel mit Daumen und Zeigefinger nach oben und drehte den Wasserhahn auf. Dann hielt er seine Finger darunter, dachte dabei nach und drehte den Hebel nach rechts, dann wieder nach links und dann wieder nach rechts.

Er richtete sich auf, führte seine feuchten Finger in seine grau gelockten Haare und wirbelte ein wenig darin herum, als würde er seinen Denkapparat ankurbeln. Typ zerstreuter Professor. Ohne Brille und mit Bart hätte er Ähnlichkeit mit Einstein gehabt. Bestimmt war er auch eine Art Genie. Zumindest hatte er einen Doktor in Physik.

Dann sagte er »Ja…« und blickte mich ein wenig verlegen an. Wäre er Arzt, hätte ich befürchtet, dass der Patient etwas sehr unangenehmes oder tragisches hören würde.

»…ich hatte die Leitungen repariert und muss wohl die Schläuche verkehrt herum angeschlossen haben.«

»Ok.«

»Wenn sie den Hebel auf Kaltwasser stellen, dann kommt warmes Wasser.«

»Ohhhhhhkey.«

Er ging zur Seite. Ich hielt dezent meine Hand unter den Hahn und tatsächlich, das Wasser war heiß.

»Ich hätte also einfach nur den Hahn in die andere Richtung drehen müssen und dann warten?!«

Ein vorsichtiges »jjjjjJJJahhh«.

Ich kam mir ein wenig, sagen wir, einfältig vor, ich meine, ich bin mehr als stabil intelligent, aber leider so sehr von mir und meinem Wissen und Können überzeugt gewesen, dass ich niemals diese Möglichkeit in Erwägung gezogen hätte, als auf genau diese Weise das Warmwasser aufzudrehen. Die spannende Frage wäre doch, wie lange hätte ich gebraucht, um es selbst herauszufinden!

Mir passierte tatsächlich schon einmal etwas Ähnliches in Spanien. Wieder im Bad. Damals kämpfte ich gegen die Tür einer Dusche wie Don Quijote gegen Windmühlen. Der »Kampf« dauerte mehr als einen Tag.

Mir wird wieder bewusst, wie schwer es mir fällt, alte Gewohnheiten, über die ich nicht mehr nachdenke, abzuändern oder abzulegen. Ich will sie auch nicht ändern, denn sonst fühlt es sich falsch an. Manchmal bin ich auch nur denkfaul und bequem. Dann wirkt eine Warm-Kalt-Schwäche unerwartet erfrischend und belebend. Vielleicht brauche ich häufiger eine Art »Kalte Dusche«. Schaden würde es nicht.

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