Pferdefluester von H.Civelek

Sei responsive!

Aus der Dunkelheit zwischen dem pulsierenden Licht leuchten zwei pechschwarze Augen auf und zaubern das Versprechen einer heißen Nacht. Diese Vorstellung prickelt lüstern und unbehaglich in meinem Kopf. Eine Nacht mit dieser Wildkatze und ich brauche drei Tage Erholung!

Blickt sie mich an?

Irgendwo zwischen meinen Gedanken und den Menschen auf der Tanzfläche flackert ein Lächeln auf ihren Lippen auf.

Meint sie mich?

Dann fallen ein paar verwirrte Haare ihr ins Gesicht, die sie mit der Hand, begleitet von einer Aufwärtsbewegung ihres Kopfes, lässig zur Seite wirft, als wäre es ein Teil ihres Tanzes. Während all dieser wohlchoreografierten Bewegungen schaut sie mir für einen kurzen, endlosen Moment direkt in die Augen und blickt dann weg. Verschwindet in der Menge, im Licht, in der laut dröhnenden Musik.

Und ich stehe regungslos an der Tanzfläche, um cool zu wirken, innerlich bin ich jedoch unruhig und aufgewühlt durch die vielen Fragen, die sich in diesem kurzen Moment in mir aufgewirbelt haben und die jetzt in mir brodeln; und die mein Herz in einem eigensinnigen Takt gegen meine Brust schlagen lassen. Einem Takt, das sie vorzugeben scheint und ich zu beherrschen versuche.

Nein, ich bin nicht verliebt. Es ist vielmehr eine Mischung aus Aufgeregtheit, Vorfreude und Angst, denn der Tanz, den wir beide – beide, so hoffe ich doch – aufführen, gleicht einem Drahtseilakt, bei dem der Mann immer über einem Abgrund balanciert, aber so tun muss, als wäre es ein Spaziergang.

Ich denke zu viel nach.

Wenn ich jetzt nicht zu ihr gehe, dann verpasse ich vielleicht eine Chance. Ich schaue zu ihr rüber, aber sie tanzt jetzt in eine andere Richtung, seitlich zu mir. Wenn ich hingehe und es stellt sich heraus, dass sie kein Interesse hat, dann stehe ich dumm da (natürlich im Gegensatz zu jetzt, wo ich cool am Rand stehe).

Ich beobachte sie weiter, auf der Suche nach einer eindeutigen Geste, einem Zeichen, dass mir klar sagt, ja sie will!

Sie bewegt sich geschmeidig wie eine Katze, selbstbewusst, unbezähmbar und verströmt etwas Gefährliches. Mir wird klar, dass nicht ich, sondern sie sich auf der Jagd befindet. Aber im Gegensatz zur Wildnis sucht sie alles andere als leichte Beute.

Zeig keine Schwäche!, sage ich mir, und je länger ich warte, desto schwächer wirke ich, und sie droht, das Interesse zu verlieren. In der Ferne lauern bereits weitere Testosteronträger, die aufmerksam auf sie geworden sind.

Man sollte die Tanzfläche einer Disco »Aquarium« nennen. Mir kommt es vor, als hätte sie einen Köder ausgeworfen und uns wie dumme Fische angelockt. In einem poetischen Moment hätte ich sie als Licht und uns als die Motten bezeichnet. Mein Kopf ist in diesem Moment leider nicht mehr für Feingeistiges in der Lage.

Ich schweife ab, weil ich mich nicht zu ihr traue.

Ok, ich muss jetzt los. Aber wie stelle ich das an?! Ich weiß nicht, wie ich es die anderen Male geschafft habe, diesen Klick herbeizuführen, der die einschüchternden Szenarien wie ein Lichtschalter ausknipst. Frauen wissen gar nicht, wie schwer es ist, sich zu diesem, ersten Schritt zu überwinden, egal, wie cool du als Typ auch bist bzw. dich gibst.

Nein, ich sollte jetzt nicht an eine Abfuhr denken. Denk lieber an eure beiden Körper, die schweißgebadet aneinanderkleben – natürlich auf der Tanzfläche. Schwitzen tue ich schon. Genau das war der Trick. Das gewünschte Szenario lauter zu drehen, als das unerwünschte, um das Begehren zu wecken und alles andere zu übertönen. Genau, er ging mit gebrochenem Penis von ihr. Ha, ha. Da mache ich es schon wieder, zu viel denken. Also, was soll’s. Scheiß was drauf!

»Wir gehen tanzen.« Ich packe meinen Kumpel, der jetzt zum Wingman befördert wird, am Arm und zerre ihn auf die Tanzfläche. Schlage eine Schneise durch die dichte Tanzmenge hin zu ihr.

Ich tanze an ihrer Seite. Nicht zu dicht, um nicht aufdringlich zu sein und sie zu bedrängen – oder, um sofort die Flucht ergreifen zu können –, aber nah genug, dass sie mich entdecken kann. Ich schaue auch nicht zu ihr hinüber. Checke mit dezentem Seitenblick, ob sie sich in meine Richtung dreht. Jetzt ist sie nämlich am Zug.

Nichts passiert. Ich verspüre den Drang, sie zu berühren. Aber sie könnte auch das aufdringlich finden. Mist! Nur einen Schritt von ihr entfernt und doch fühlt sie sich so unerreichbar an.

Am liebsten würde ich wieder runter von der Tanzfläche. Ja, ich könnte mir etwas zu trinken holen. Feigling! Wem machst du etwas vor?!

Mein Herz pocht. Ich fange an, zu schwitzen. Die Hitze, das Tanzen, die aufgeheizte Menge. Ich kann nicht weg und auch nicht länger hierbleiben. Das Zeitfenster, durch das ich auf einen Hoffnungsschimmer blickte, schließt sich rapide. Meine Chance verrinnt wie der Sand einer Eieruhr. Hattest du denn je eine? Und jede Minute droht die Hitze, mich hart zu kochen.

Angetrieben von dieser fürchterlichen Vorstellung beginnt mein Körper noch mehr zu schwitzen. Ich zerfließe. Vielleicht sollte ich endlich meinen Kopf ausschalten. Doch wo finde ich den Gang? Ich hätte Automatik fahren sollen. Ha, ha.

Ich schaue wieder zu ihr.

Sie tanzt immer noch mit dem Rücken zu mir und quatscht mit ihrer blonden Freundin. Das gibt es doch nicht! Die kann mich mal!

Sich aufzuregen ist gut! Das nimmt einem die Aufregung und leitet sie in einen anderen Erregungszustand. Also Einleiten der 2ten Stufe (wann hatte ich mit dem Zählen begonnen?!): Meine Moves werden cooler und kühner.

Das weckt das Interesse der Menge um mich herum. Ich hatte nicht diesen Machodance drauf, wie einige meiner südländischen Kollegen, wo die angewinkelten Arme (damit der Bizeps prall wirkt) zu Fäusten geballt nach oben ragen und der Latissimus sich wie Flügel aufspannen, begleitet von Beckenbewegungen, die sagen, ich ficke die Musik und euch alle!

Erstaunlich, was man so mit uralten Breakdance-Moves noch erreichen kann.

Ich lächle wieder dumm in die Gegend, und irgendwie beginnt es mir wirklich Spaß zu machen. Bin ich so einfach gestrickt? Nein, die Musik wird besser, allein das Bier fehlt. Wieso bedient eigentlich niemand die Gäste auf der Tanzfläche?

Während ich gedanklich immer noch zu sehr abschweife, dreht sie sich zu mir, lächelt mich an und bewegt sich für ein paar Sekunden in meinem Takt. Wow, ihre dunklen Augen flackern im Discolicht und sind so kitschig schön wie die Nacht!

Von Nahem sieht sie noch hübscher aus. Ein Glück, dass ich meine Brille nicht aufhabe, sonst hätte ich mich nicht bis hierher getraut. Ich lächle zweideutig zurück, als lächle ich, weil ich beim Tanzen Spaß habe und nur zufällig sie dabei anlächle. Innerlich ein verängstigtes Kind (Mama!), aber nach außen hin der selbstbewusste Mann. Es läuft!

Wir tanzen ein paar weitere Takte zusammen. Ich bin fasziniert von ihr. Am liebsten würde ich sie sofort an mich heranziehen – nein, nicht aufdringlich werden! –, als plötzlich ein anderer Typ von der linken Seite auftaucht. Sie lächelt ihn dezent an, während sie sich zu ihm hindreht.

Was-soll-das?!!!

Blut schießt in meine Wangen und mein Gesicht droht zu explodieren. Im gleichen Moment spüre ich, wie all das Blut aus meinen Armen und Beinen in meinen Bauch hineinbricht.

Für einen kurzen Moment reiße ich die Augen auf und verharre wie ein Roboter in der Zeit. Kein cooler Move, nur ein unwirklicher Moment jenseits vom Hier und Jetzt. Ich will weg. Geht nicht. Ich will bleiben. Kann nicht.

Ich bin so sauer!

Meine Blicke spielen Tennismatch. Ich schaue sie an. Dann ihn. Dann wieder sie. Dann ihn. Ich bewege mich immer noch nicht. Stehe nur an der Außenlinie, außerhalb des Spielfeld, ihres Spiels und habe verloren. Und dann schaue ich ihn wieder an.

Sieht aus wie ein Bauer! Dicke Arme. Boxer? Nein. Undefiniert. Kein Trizeps. Zu schmale Schultern. Alles andere ebenso unmuskulös. Insgesamt ein disproportionaler Körper. Zu dünne Beine. Also nur Masse an den Oberarmen, keine wirkliche Kraft. Aufgrund der Dicke der Arme keine Beschleunigung, um Kraft bei einem Schlag aufzubauen.

Mir gefällt die Richtung, die meine Gedanken genommen haben, nicht.

»Lass uns gehen.«

Drehe mich um, aber mein Kumpel ist nicht mehr da. Stattdessen stehe plötzlich direkt vor ihrer blonden Freundin. Ich hatte zwischen ihnen getanzt. Die ganze Zeit ist sie da gewesen, nur bemerkte ich sie nicht.

Überrascht schaue ich sie an. Eigentlich will ich gehen, denn zu tief sitzt die Kränkung in Form von Wut in mir. Vergiss sie und mache das Beste aus der Situation! Dann fällt mir wieder ein, dass ich wieder dumm herumstehe.

Ihre grünen Augen blitzen frech zwischen ihren kurzen Strähnen hervor. Sie ist unglaublich süß. Das war mir vorher gar nicht aufgefallen. Mit ihren weichen Bewegungen wirkt sie schüchtern, fast scheu – später wird sich herausstellen, dass ich sie komplett falsch eingeschätzt habe.

Ich lächle und beginne, mit ihr zu tanzen. Warum auch nicht?! Die Wildkatze tanzt auch fremd.

Sie lächelt zurück, und wir nähern uns. Ein zarter Duft mit floraler Note kitzelt verspielt und unschuldig meine Nase.

»Du riechst aber gut.« Meine Wange an ihrer Wange. Ich berühre ihr linkes Ohr, während meine Hände leicht wie ein Windhauch ihre Hüften streifen.

Und während ich auf ein »danke« oder »du auch« warte, dringt ein empörtes »Das gibt’s doch nicht!« an mein Ohr. Die Wildkatze hat sich in ein Biest verwandelt. Vielleicht auch nur in ein Hauskätzchen.

Das hast du davon! Ich lächele zufrieden. Ich weiß, sie regt sich bestimmt mehr über ihre Freundin als über mich auf. Beste Freundinnen sind immer auch schlimmste Feindinnen. Ebenso ein Drahtseilakt, aber ein anderer. Der schwelgt im Hintergrund. Nährt sich über die Jahre und bläht sich auf, weil es immer noch Dinge gibt, die sich beste Freundinnen nicht sagen dürfen. Eines dieser Dinge ist, dass eine sich immer für die Bessere hält.

Aber was weiß ich schon.

Egal, ob die Wildkatze sich wegen mir oder ihrer Freundin aufregt, ich verbuche es als meinen Erfolg. Wenn es um mich geht, neige ich immer ein wenig zum Negativen. Ein Abgleiten ins Trübe. Eine Verschiebung ins Schlechte. Daher habe ich mir das Möglichkeitsdenken angeeignet. Wenn es mehrere konkurrierende Möglichkeiten bzw. Lesarten gibt, eine Situation zu interpretieren, dann wähle ich die für mich Beste aus.

Daher ist es egal, aus welchem Grund die Wildkatze sich echauffiert. Wichtig für mich ist nur, dass ich mich dadurch nicht negativ beeinflussen und mir dadurch andere Chancen entgehen lasse. Ich hoffe nur, dass sie (oh, ich kenne ihren Namen nicht!) sich nicht davon beeindrucken lässt.

Ich bin zu nah an ihr dran, als dass ich ihr etwas ansehen könnte. Meine Hände liegen jetzt auf ihren Hüften. Wir bewegen uns beide im gleichen Takt. Nichts deutet daraufhin, dass die Worte ihrer Freundin sie erreicht haben. Noch einmal Glück gehabt! Wobei ich dem Kätzchen doch zutrauen würde, dass sie jetzt eine Szene macht. Macht sie aber nicht. Was sagt das über ihre Freundschaft aus und ihre Beziehung zu Männern…

»Wie heißt du eigentlich?«


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