Broken Smartphone by Daniel Oines

Geplantes Altern oder Wann gehst du kaputt?

Der Riss arbeitete sich von links unten nach oben in alle Richtungen durch. Es sah aus wie ein künstlerisch gestaltetes Fensterglas oder das Netz einer betrunkenen Spinne. Wenn das Gorillaglas an einem Handy zersplitterte, dann war es im Gegensatz zu einem Marmeladenbrot egal, wo es zuerst auf dem Boden auftraf.

»Dein Handy ist kaputt! Ist das nicht neu?« Verwundert sprach ich das Offensichtliche aus und schien eine unverheilte Wunde wieder aufzureißen.

»Ja.« Kurz, knapp, etwas genervt fiel die Antwort aus, unter der etwas Wütendes wieder aufflackerte, das gegen mich gerichtet zu sein schien.

Altes gegen neues Handy

Ich hatte das Handy nicht fallen lassen. Mich verblüffte nur, wie viele Handys mit kaputtem Display ich sah. Allesamt neuere Modelle als mein Handy, das ich nun schon seit über fünf Jahren mit mir führte. Es hatte viele helle Kratzspuren und kleine Dellen auf dem matt-dunklen Metallgehäuse, die unerwartet das Tageslicht reflektierten. Ich ließ es schon dutzende Male auf Beton fallen, und es ging nie kaputt. Ich brauchte wirklich ein neues Smartphone, schon alleine, weil sein Akku langsam den Geist aufgab.

Kurzlebiger Akku, festgefangen im Gerät

Meine zweite Frage verkniff ich mir, denn die Antwort darauf kannte ich schon. Spätestens alle zwei Jahre wechselte der Besitzer sein Handy, weil laut Vertrag ein neues Modell »kostenlos« zur Auswahl stand. Oder weil die Akkus der Smartphones in den zwei Jahren so schlecht wurden, dass das Handy häufiger am Ladekabel hing als ein Süchtiger an der Nadel.

Die Frage nach dem Akku-Wechsel stellte ich auch nicht. Den Akku konnte man bei den Modellen nicht austauschen, denn sie waren fest verbaut, was bedeutete, wenn der Akku kaputt war, dann konntest du das gesamte Handy wegschmeißen.

Ich glaube, laut EU ist diese Bauweise nicht erlaubt und verstößt gegen das Elektronikgerätegesetz. Aber das interessiert die Hersteller wenig, denn sie wollen so schnell wie möglich ein neues Gerät verkaufen und nicht das Alte am »Leben« erhalten. Es sollte nur die Gewährleistungsfrist überleben.

Obsoleszenz oder die geplante Alterung

Das erinnerte mich an etwas – was war es noch gleich? Odo…, nein, Obto…, auch nicht, Obsoleszenz! Dabei handelt es sich um eine gewollte bzw. geplante Alterung von Produkten. Das Wort »gewollte« oder »geplante« sollte uns alle aufhorchen lassen, denn wer von uns plant denn etwas in der Art?!

Ich wachte eines Nachts auf, als mein Körper trotz Müdigkeit für mich entschied, dass ich nicht weiterschlafe.

Zum Lesen hatte ich keine Lust. Es muss zwischen drei und vier Uhr gewesen sein. Also zappte ich alle Kanäle durch und landete auf ZDFneo oder 3Sat. Dort sprach Prof. Dr. Kreiß über die Obsoleszenz, Thema seines Buchs »Murks? Nein danke!: Was wir tun können, damit die Dinge besser werden« (Amazon Werbelink).

Sein Vortrag machte mich neugierig und bedeutete das Ende meines Schlafs. Ich konnte mir allerdings nicht alles merken, nur einige Punkte. Vermutlich diejenigen, die mich am meisten beeindruckten und daher in mein müdes Langzeitgedächtnis schafften.

Über Produktvielfalt und deren Fallen

Prof. Dr. Kreiß sprach auch von weiteren Formen der Obsoleszenz, beispielsweise der Produktvielfalt bei einem Rasierer. Warum, fragte er, gibt es bei einem Hersteller eines Rasierapparats jedes Jahr so viele neue und verschiedene Produkte? Seit ich mich rasieren kann, habe ich mir die gleiche Frage immer wieder gestellt.

Die Frage beantwortete er mit der Inkompatibilität der Geräte untereinander und natürlich auch zu den Vorgängermodellen. Wenn der Rasierapparat vom letzten Jahr kaputt ging, war es nicht mehr möglich, Ersatzteile dafür zu bekommen. Also war der Konsument gezwungen, ein Neues zu kaufen. Die Hersteller, führte er weiter aus, könnten sich dann damit herausreden, dass sie sich bei der Produktvielfalt keine riesigen Lager leisten könnten, um für jedes Modell Ersatzteile bei Bedarf bereit zu stellen.

Seine Ausführungen zu den Themen Marketing und Arbeit verblüfften mich.

Wie Werbung auf Kleinkinder wirkt

Er sprach davon, dass schon Zwei- bis Dreijährige Werbung sehen würden und immer nur die Botschaft vermittelt bekämen, das Neueste zu kaufen. Und siehe da, kaum seien sie in einem konsumfähigen Alter, schon würden sie das Neuste und Teuerste erwerben wollen. Das iPhone lässt grüßen.

Dabei, führte er aus, sähen wir im Leben bis zu sechs Jahren Werbung – Werbung, die uns keine Information vermittelte, sondern nur Emotionen!

Dann machte einen Sprung zur Arbeit.

Weniger Arbeit, mehr Urlaub

Etwas Kaufen bedeutet, mit Geld etwas erwerben, das wiederum das Kaufen von Arbeit des anderen darstelle, denn die Herstellung des Produkts wird durch Arbeit eines Menschen bewerkstelligt.

Würden wir weniger konsumieren oder – und das ist das eigentlich unglaubliche – würden die Geräte länger halten, müssten wir weniger kaufen, weniger produzieren und damit weniger arbeiten. Wir könnten 14 Tage im Jahr mehr Urlaub haben, ohne eine negative Auswirkung auf unser Einkommen oder Leben zu bemerken!

Das Ende

Sein letzter Gedanke bedeutet im Grunde, weniger zu konsumieren, um unser Leben besser zu gestalten. Ich befürchte aber, das wird nur eine Utopie bleiben, denn so funktioniert der Kapitalismus nicht. Der Kapitalismus lebt vom Wachstum, das bedeutet, im nächsten Jahr muss mehr verkauft werden als im aktuellen Jahr. Ein Ende ist nicht in Sicht. Nur Mensch und Natur scheinen die beschränkenden Faktoren zu sein. Daher scheint die geplante Alterung eine Strategie zu sein, die funktioniert.

Besser als Krieg, dachte ich mir und erschrak über meinen Gedanken, den ich schlimm finde. Ich muss jetzt endlich schlafen, befahl ich mir, denn dunkel erinnerte ich mich irgendwo gelesen zu haben, dass der Mensch schneller alterte, desto weniger er schlief. Meine Alterung war wohl geplant, aber nicht gewollt…

photo credit: via photopin (license)


3 Antworten zu “Geplantes Altern oder Wann gehst du kaputt?”

  1. Hi, wollte grad kommentieren und meinen Senf aus eigenen Erfahrungen mitgeben, aber der ursprüngliche Kommentar ist grad zur Rohfassung für einen Beitrag eskaliert, das mich endlich wieder zum Schreiben angeregt hat und ich -ohne dieses unterschwellige Getue von intellektueller Bescheidenheit, das es erwähnt sei du hättest zu jenem -JETZT!KonzeptNochBaldBeitragDOCH!!- angeregt -Sondern..!”ZeigefingerStreck* ,wenn du mir noch folgen kannst, -IN hardcore propagandistisch-maniescher Halltung, dankend, auf deinen inspirierenden Beitrag verlinken werde! Dieser Input über Obsoleszenz und der Zeit-Geld Gedanke, lassen mich grad in alle Richtunge schiessen, eh… Schreiben, deggaa nix Bahnhof, alle Richtungen sag ich, Autobahn!
    Ich danke für Ihr Verständniss.

    Besten Dank! und mit extra penedrantem Signieren. Und mit ganz lieben Gruss, Salutierend!

    Eine Person

    • Hallo Eine Person,

      vielen Dank für Deinen enthusiastischen Kommentar! Ich freu mich, dass mein Artikel Dich zum Schreiben anregen konnte und du dadruch eine Idee für einen eigenen Artikel hast. Ich bin gespannt…

      Viel Spass!

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