Me after jogging

Home Office in Corona-Zeiten und die Folgen

Freitag, 17.04.20. Bielefeld.

Ich bin eben wieder eine Stunde gelaufen. Trotz müder Beine. So geht es auch. Denn allmählich gewöhne ich mich daran – also an die müden Beine und das tägliche Laufen. Bis heute bin ich an 13 von 17 Tagen in diesem Monat gelaufen. Nicht schlecht für jemanden, der im letzten Jahr gerade mal 2 bis 3 Läufe pro Monat geschafft hat.

Aber es wird noch besser: Mit meinem heutigen Joggen bin ich mehr als 100km gelaufen! Das sind knapp 36% meiner Gesamtkilometer des letzten Jahres.

Seitdem ich seit Ende letzten Monats im Home Office bin, gehe ich jetzt immer häufiger während meiner Mittagspause joggen. Und das ist wichtig für mich, denn zu Hause zu arbeiten bedeutet für mich »statisches Arbeiten«, was schlecht für meine Gesundheit ist. Mit der Corona-Krise im Hintergrund und dessen zusätzliche Einschränkungen kann es zu einer gefährlichen Verschärfung kommen.  

Ich gebe es ungern zu, aber ich bin da sensibel und komme mir zuweilen wie ein fragiles Konstrukt vor, dass jederzeit wie beim Mikado mit einer unbedachten Bewegung zusammenstürzt. Das klingt dramatisch und ist objektiv gesehen übertrieben und doch nicht unbegründet, denn die Folgen eines ungesunden Lebens sammeln sich über die Jahre an und schlagen dann irgendwann massiv zu. Dort bin ich noch lange nicht angelangt.  Das Gefühl jedoch, dass diese Strecke sich mit den Jahren immer mehr verkürzt, bleibt mahnend in meinem Bewusstsein und hält mich (hoffentlich) auf Trapp.

Eigentlich wollte ich mich selbst kurz für meinen unerwarteten Erfolg feiern. Aber wie es oft der Fall ist, rutsche ich schnell ins Textlastige ab. Daher hier eine Inhaltsangabe meines folgenden Textes:

  • Bewegungsmangel durch Home Office?!
  • Verschärfung durch die Corona-Krise
    • Auswirkungen des langen Home Office auf mich
    • Meine Psyche
    • Mein Körper
    • Meine Ernährung
    • Abschalten!
  • Meine Maßnahmen für ein besseres Home Office
    • Joggen & Trainieren von zu Hause
    • Mein Schlaf
    • Ergonomischer Arbeitsplatz
  • Motivation
    • Selbstgenügsam
    • Angeben vor anderen bzw. Teile deine Freude
    • Neues Ziel

Bewegungsmangel durch Home Office?!

Wenn ich vor meinem Notebook sitze, bin ich sehr konzentriert, um es positiv auszudrücken, was eigentlich bedeutet, dass ich mich kaum über einen langen Zeitraum hinweg bewege.

Im Büro arbeite ich nicht unkonzentrierter, jedoch unterscheidet sich die Arbeit im Büro von der Arbeit zu Hause in zwei wesentlichen Punkten.

Erstens ist mein Arbeitsplatz ergonomisch, mein Home Office nicht.

Zweitens gibt es immer wieder Gründe im Büro, aufzustehen und mich zu bewegen. Sei es durch die Meetings oder das Herüberlaufen zum/r Kollegen/In, um kurz etwas zu fragen oder der Plausch in der Kaffeeecke oder ganz banal – der Gang zur Kantine zu Mittag. Auf der Arbeit gibt es also genüg Anlässe, die einen in Bewegung halten (oder ablenken, das kann man so oder so sehen, man sollte jedoch niemals den sozialen Aspekt unterschätzen).

Verschärfung durch die Corona-Krise

In der Corona-Krise kommt noch ein weiterer, verstärkender Aspekt hinzu. Man geht weniger aus, trifft sich weniger mit Verwandten, Freunden oder Bekannten. Hinzukommt, dass auch die Fitness-Studios geschlossen sind und auch kaum anderen »Geschäfte« geöffnet haben.

All das zusammen wirkt sich auf Dauer nicht nur schlecht auf die körperliche Gesundheit aus, sondern auch, bedingt durch den reduzierten sozialen Austausch/Kontakt, auf die Psyche.

Auswirkungen des langen Home Office auf mich

Wie wirkt sich also das Home Office auf mich aus?

Meine Psyche

Nach so kurzer Zeit ist es schwer zu sagen, vor allem was den Effekt auf meine psychische Verfassung betrifft. Man ist selbst ja da der schlechteste Beobachter und als Mann neigt man eher dazu, sich nicht zu sehr mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen oder gar zu ergründen (ja, ich weine nachts alleine in einer dunkeln Ecke – im Ernst: Männer scheinen ungern Gefühle der Schwäche zu zeigen, eher Gefühle, die vermeintlich Stärke demonstrieren. Stell dir mal vor, du schreibst keine Hasskommentare, sondern verfasst kleine Liebesbriefe als Kommentare unter Artikeln im Internet;-).

Weiterhin bin ich eher der einsame Typ, der »große Flächen des Alleinseins« braucht und Social Distancing irgendwie cool findet. Das geht aber auch nur, weil ich sehr enge Freundschaften habe, die mich regelmäßig mit Nettigkeiten jeglicher Art nerven, wenn ich mich zu selten oder zu lange nicht melde.

Aber auch während meiner aktuellen Arbeit bin ich ständig mit den Kollegen*innen am Telefonieren. Das sind vier bis fünf Stunden im Schnitt jeden Tag. Da könnte ich gleich im Call Center anfangen. Für einen (Teil-)Projektleiter ist das vermutlich üblich.

Mein Körper

Die körperlichen Auswirkungen hingegen kann ich sofort benennen, denn die machen sich unerlaubt schnell bemerkbar. Da ist mein Körper sensibilisiert für. Da scheint das Home Office wie ein Verstärker zu wirken.

Bei mir sind es immer die gleichen zwei »Leiden«: Nackenschmerzen und schlechter Schlaf.

Die Nackenschmerzen erklären sich leicht. Ich sitze mit meinem Notebook an meinem IKEA Esstisch. Die Kombination Notebook und Esstisch führen bei mir zu einer gekrümmten Haltung, wo mein Kopf nach vorne neigt als wollte ich in den Display hineinkriechen und dabei zwischen meinen Schultern versinkt. Damit stehen meine Nackenmuskeln unter unnatürlicher Dauerspannung. Das hilft natürlich nicht beim Schlafen.

Die Qualität meines Schlafes ist an bewegungsarmen Tagen schlechter. Das weiß ich, weil ich eine Schlaf-App habe und während meines Schlafes meine Apple-Watch trage und somit meinen Schlaf überwache.

Ich verwende die kostenlose App »Sleep Watch«. Die App zeichnet meine Herzfrequenz während meines Schlafes und Tages auf und gibt mir prozentual an, wie stark sie sich gesenkt hat – nennt sich »sleeping heart rate dip« und berechnet sich aus prozentuale Differenz der durchschnittlichen Herzfrequenz im Wachzustand von der durchschnittlichen Herzfrequenz im Schlaf.

Beides (Nacken-Aua & schlechter Schlaf) wirkt sich natürlich auf meine Verfassung aus (womit wir wieder bei meiner Psyche angelangt wären). Dann bleibt von dem berühmten Liebreizend lediglich das verfremdete Ende »reizend« angeführt von einem »ge« übrig. Ich merke, wie schnell ich genervt bin und gereizt reagiere und aggressiver werde. Aktuell sind es nur subtile Nuancen und nur ich (so hoffe ich) nehme es wahr. Dann atme ich eine Sekunde tief durch und geht es wieder. Es ist wirklich erstaunlich, wie effektiv und hilfreich bewusstes Atmen sein kann! Wenn ich gestresst bin und es merke, dann atme ich langsam und tief. Der Stress legt sich dann ein wenig.

Meine Ernährung

Ich gebe zu, Kantinen-Essen klingt alles andere als lecker und man kann sich reichlich ungesund dort ernähren, wenn man täglich nur Schnitzel mit Pommes isst, und dennoch folgt die Kantine seinem eigenen Plan einer ausgewogenen und gesunden Ernährung, was man von meiner Ernährung nicht sagen kann. Meine Ernährung tendiert eher zu süß und einseitig.

Meine Ausrede dafür ist, ich war knapp 18 Jahre als Berater unterwegs und nur an Wochenende zu Hause. Damals frühstückte ich morgens, aß aber sonst draußen. Das bekommt man nicht einfach so weg. Immerhin gönne ich mir jetzt regelmäßig selbstgemachte Frucht Smoothies, die wirklich lecker sind.

Abschalten!

Die Übergänge zwischen Arbeit und Freizeit sind fließend und manchmal verschwindend gering. Was ich an der Arbeit im Büro oder Projektort schätze, ist die räumliche Distanz zu meiner Wohnung. Das macht es für mich deutlich einfacher abzuschalten, wenn ich zu Hause bin.

Dabei hilft mir besonders, dass ich mein Notebook auf der Arbeit lasse und nicht mit nach Hause nehme. Die Versuchung, mich dann wieder an das Notebook zu setzen ist groß. Vor allem, wenn ich mich mit etwas intensiv beschäftige oder mich über etwas sehr aufgeregt habe.

Meine Maßnahmen für ein besseres Home Office

Was bringt es, die negativen Seiten aufzulisten, ohne Verbesserungsvorschläge zu haben?! Natürlich habe ich mir auch darüber Gedanken gemacht und das Folgende funktioniert für mich.

Joggen & Trainieren von zu Hause

Laufen zu gehen ist das einfachste, was machen kann. Man zieht sich kurz um und geht raus. So einfach geht das. Das Tolle daran ist, wenn man von zu Hause aus arbeitet, kann man im Grunde jederzeit losrennen.

Ich renne meisten in der Mittagszeit los oder nachmittags, wenn ich nicht zu lange arbeiten muss. Und es hilft mir, den Kopf frei zu bekommen.

Als ich noch unregelmäßig lief, lag meine Laufdauer knapp über einer halben Stunde. Doch mit jedem Tag lief ich ein Stück weiter und länger. Gestern schaffe ich ohne große Mühe ca. 1 Stunde, heute ebenso.

Joggen am 17.04.2020

Das wichtige dabei ist, dass nicht (zu) schnell zu laufen. Das war mein Fehler und teilweise verfalle ich wieder in das alte Muster. Ich muss jedoch keinen Wettbewerb gewinnen, sondern mich einfach bewegen.

Generell muss ich jetzt einen neuen Trainingsrhythmus finden, den ich von zu Hause aus praktizieren kann. Ich bin nämlich ein Schön-Wetter-Läufer. Bei Regen oder Kälte neige ich dazu, lieber zu Hause zu bleiben. Wenn der Home Office sich über viele Monate erstrecken wird, werde ich neben meinen »Fahrten« auf meinem Heimtrainer wieder mit Freeletics beginnen. Ich habe gemerkt, dass der Heimtrainer nicht effektiv genug ist, wenn ich zu lange am Notebook sitze.

Womit ich schon begonnen habe, ist während meiner Telefonate in meiner Wohnung herumzulaufen, sofern es die Situation erlaubt. Das hilft auch beim Denken und sorgt ab und an für überraschend heitere Momente, wenn ein/e Kollege/In fragt, warum ich das angesprochene nicht auf dem geteilten Bildschirm sehe.

Mein Schlaf

An Tagen, an denen ich mich reichlich bewegt habe, schlafe ich viel besser. Je mehr ich mich bewege, desto besser meine Schlafqualität. Das bestätigt auch meine Schlaf-App. Eigentlich selbsterklärend.

Man kann natürlich noch mehr für seinen Schlaf tun. Ich gehe regelmäßig und gleichen Zeit ins Bett und lese zur Entspannung ein Buch. Das hält meinen Kopf davon ab, in eigene Gedanken abzugleiten und mich in Erregung zu versetzen – nein, nicht das, was du jetzt denkst;-) Mir fallen ganz plötzlich unglaublich tolle Formulierungen ein. Dafür habe ich immer einen kleinen Notizblock und Stift an meinem Bett. Oder ich finde einen Weg, ein Problem des Tages zu lösen. Da will mein Kopf solange weitermachen, bis es die Lösung erreicht hat. Das Lesen hilft hier. Man muss hier allerdings auch vorsichtig sein – das Buch darf nicht zu spannend werden.

Sleeping Heart Rate Dip (SleepWatch) am 17.04.2020

Ergonomischer Arbeitsplatz

Man kann natürlich sein Training so gestalten, dass die Nackenmuskeln entlastet werden, in dem man zum Beispiel den Rücken trainiert. Aber effektiver und gesünder ist eine bessere Haltung bei der Arbeit. Und das hängt auch mit einem ergonomischeren Arbeitsplatz zusammen, den ich aktuell Zuhause nicht habe.

Sollte das Home Office mehr als eine Übergangslösung werden und über mehrere Tage möglich sein, plane ich im Stehen zu arbeiten. Während einiger Telefonate schaffe ich es bereits jetzt. Ich spielte mit dem Gedanken, einen Aufsatz für den Tisch zu kaufen. Muss mich noch hier schlau machen.

Motivation

Beim Laufen, wie bei vielen anstrengenden Tätigkeiten, ist man schneller raus als drin. Ich ertappe mich immer wieder mal bei dem Gedanken, mein Training für diesen Tag ausfallen zu lassen. Gründe finde ich genug dafür. Ich habe ja gestern genug trainiert. Mein Körper muss auch mal erholen.

Nur habe ich gemerkt, dass die negativen Effekte des statischen Arbeitens sich nicht darum scheren, was gestern oder davor war. Nur das Heute zählt. Daher ist es wichtig, sich immer wieder zu motivieren und solche Gedanken nicht zuzulassen. Und je regelmäßiger ich laufe, desto leichter fällt es mir (bis eine Verhaltensänderung zur Routine wird, muss man 66 Tage lang täglich die neue Gewohnheit ausüben).

Dabei ist es wichtig, sich nicht zu überanstrengen! Wenn ich zu müde bin, dann laufe ich langsamer. Manchmal auch viel kürzer. Ich passe also mein Training meiner aktuellen Verfassung an.

Selbstgenügsam

Wenn ich gelaufen bin oder anderweitig sportlich tätig war, dann schaue ich mir meine Ergebnisse an, denn ich tracke sie mit meinen Apps. Und dann freue ich mich darüber und lobe mich dafür.

Wenn ich davor mich ein wenig gesperrt hatte – also keine Lust hatte, dann vergegenwärtige ich mir meine Situation, dass ich mehr geschafft habe, als gedacht und ich mich besser fühle. Damit überschreibe ich meinen Widerstand, Sport zu treiben, und wenn mein innerer Schweinehund beim nächsten Mal wieder sagt: Ach nee, lass mal und chill auf dem Sofa, dann erinnere ich mich an das Gefühl nach dem Sport.  

All diesen kleinen Tricks helfen mir am nächsten Tag, wieder zu trainieren und manchmal kann ich sogar nicht abwarten, loszulaufen.

Angeben vor anderen bzw. Teile deine Freude

Natürlich gibt es eine weitere Form der Freude. Sie sogenannte erweiterte bzw. ergänzende Freude (habe ich mir gerade ausgedacht). Gemeint ist damit das Teilen mit anderen. Man muss hier vorsichtig sein, denn der grad zum Angeben ist schmal! Künstlerpech.

Ich habe mein kleines Erfolgserlebnis direkt auf WhatsApp als Status gepostet und mir dabei weiter nichts gedacht:

»Diesen Monat über 100km gelaufen – BTW weiß jemand, wo ich neue Oberschenkel bekomme?!«

Zwar erstelle ich selten Statusmeldungen, doch reicht es, um beurteilen zu können, dass einige sich das anschauen, aber nichts weiter passiert. Doch diesmal bekomme ich mehrere Nachrichten mit Gratulationen. Ein neues Paar Oberschenkel hat jedoch keine/r für mich:,-(

Neues Ziel

Diese 100km habe ich per Zufall erreicht. Ich bin einfach so häufig wie möglich gelaufen, um dann heute festzustellen, dass ich über diese Marke gekommen bin. Da liegt der Gedanke doch nahe, die Marke bis Ende des Monats durchzuhalten…?!

Gedacht, gesagt: Ich nehme mir vor, diesen Monat die 200km Marke zu schaffen, egal was meine Oberschenkel jetzt dazu sagen!