Etwas stimmt hier nicht. Es ist nur ein unbestimmtes Gefühl an der Schwelle zum Bewusstsein. Oder nur eine im Nachhinein konstruierte Einbildung.
Aber verdammt, ich bin wach!
Viel zu früh und mitten in der Nacht. Das weiß ich, weil sonst durch die ticktackgroßen Löcher in den Lamellen der Jalousie die Strahlen des Morgens durchschimmern und mein Schlafzimmer mit Licht durchfluten. Doch jetzt ist es finster.
Ein dunkles Schwarz mit einem Hauch Laternenlicht, das in mein Schlafzimmer hineintropft. Ich taste mich unglaublich müde und schneckenartig durch das Dunkel zu meinem Smartphone. Mein Arm fühlt sich seltsam schwer an. Und dann leuchtet ein 3 Uhr 22 auf dem Display auf. Ich blinzle durch die winzigen Öffnungen der Lamellen nach draußen. Irgendetwas stimmt hier wirklich nicht.
Ich versuche, aufzustehen. Hebe zuerst meinen Kopf, dann folgt mein Oberkörper. Aber diese Schwere, die auf meinem Körper lastet (woher kommt sie?), bremst mich aus. Ich kann mich nicht weiter aufrichten. Nicht in diesem Tempo.
Oder liegt es an etwas anderem? An meiner Bewegung? War sie, frage ich mich, zu schnell wie im – ich schaue mich um und erkenne nichts – Traum, bei dem man läuft und niemals über eine bestimmte Geschwindigkeit hinaus kommt?
Das klingt absurd oder nach… – meine Augen suchen noch im Dunkeln, bis mir allmählich etwas dämmert. Ich glaube, ich bin nicht wach und träume nur. Wow, sage ich mir, ich habe einen luziden Traum, als mir bewusst wird, dass ich tatsächlich träume.
Ich träume im Traum vom Aufwachen, damit ich nicht aufwache, sondern weiter schlafe, denke ich mir. Sigmund Freud hätte das amüsiert. An seiner Stelle lächle ich, und meine Gedanken lösen sich erleichtert im Dunkeln auf, während ich wieder in den Schlaf sinke.
Als ich viel später aufwache, rettet sich dieser merkwürdige Traum in meinen Morgen, als wollte es mir noch etwas sagen. Die beste Zeit, den eigenen Traum zu analysieren und die Bedeutung zu verstehen, hatte ich irgendwo gelesen, sei die Zeit an der Schwelle zum Aufwachen.
Also krame ich in meinem Kopf nach Antworten und finde Sigmund Freud. Leider hatte ich keinen sexuell angehauchten Traum. Bei einem Klartraum (oder luziden Traum) wäre das eine spannende Begegnung gewesen. Ok, weiter.
Sigmund Freud ging in seinem Buch »Die Traumdeutung« (Amazon Werbelink) davon aus, dass hinter dem nach Aufwachen erinnerten Traum, den er den manifesten Trauminhalt nannte, sich etwas anderes verbarg. Diesen verborgenen Sinn nannte er latenter Trauminhalt. Mit der Traumdeutung versucht der Traumdeuter, aus dem manifesten Traum den latenten Traum zu entschlüsseln. Damit wäre die Traumdeutung die Umkehrung der Traumarbeit, also der Weg zurück.
Während ich noch im Bett liege und mir darüber Gedanken mache, welche verborgenen Inhalte sich hinter meinem merkwürdigen Traum verstecken könnten, fällt mir noch etwas Weiteres aus Sigmund Freuds Traumdeutung ein. Warum verwandeln sich latente Trauminhalte in manifeste?
Für Freud handelt es sich beim Moment des Träumens um ein Moment der Schwäche, wo all die Sehnsüchte, Ängste, niederen Triebe ins Bewusstsein zu rücken drohen. Um unser Bewusstsein vor diesen unanständigen Begierden (nein, nicht wie Shades of Grey), Lüsten etc. zu schützen, werden sie umgewandelt. Eine Art Schutz des Schlafes (da wacht ein Zensur über unseren Schlaf).
Da muss ich lachen. Das ergibt alles keinen Sinn. Am Morgen sind nicht nur meine Haare wirr und mein Gesicht eine wüste Landschaft, sondern auch meine Gedanken verworren und irritierend.
Als ob das nicht ausreichen würde und, um ehrlich zu sein: Ich halte nichts von Traumdeutung und der Psychoanalyse, die wissenschaftlich überholt ist. Nur wusste ich dies nicht, als ich als Jugendlicher beschloss, Psychologie zu lernen, in dem ich mir bei Phönix (das jetzt »Thalia« heißt) Bücher aus dem Psychologie-Fach kaufte.
Seltsam, woran ich mich jetzt noch erinnern kann. Heutzutage erinnere ich mich nicht mal an einen Namen aus der Vorwoche. Aber das ist eine andere Geschichte.
Und während ich immer noch liege und meine Gedanken seltsame Wege nehmen, fällt mir doch noch etwas ein: das Bild »Traum, verursacht durch den Flug einer Biene« von Salvador Dalí. Darin wird eine Biene von dem süßlichen Duft eines Granatapfels angelockt. Die Biene mit ihrem Stachel droht die nackt-schlafende Frau zu wecken und löst so den Traum aus, der sich als Traumsequenz in einem Bogen über der Frau spannt.
Als mein Körper wieder drohte, viel zu früh aufzuwachen, dachte sich mein Geist einen effektiven Trick aus. Es gaukelte meinem Körper vor, aufzuwachen.
Da liege ich schon so viele Jahre im Bett und erlebe noch Überraschungen. Wäre ich nicht so müde, hätte ich von mir selbst beeindruckt sein können.
Egal, wie raffiniert diese Methode auch war, um länger zu schlafen, ich verzichte gerne auf weitere wunderliche Träume und möchte einfach nur schlafen.
Immerhin stehe ich mit einem Lächeln auf und nicht als Blödmann, und das ist schön.