Erde Umwelt Welt Strand Meer

Der Umwelt zuliebe!

Ich war dran und legte meine beiden Eroberungen auf die Theke mit der Kasse. Ein kurzweiliger Moment der Vorfreude.

»Möchten Sie eine Tüte für ihre Bücher? Das kostet jetzt extra.«
»Was?« Ich wurde jäh aus dem intimen Moment mit meinen Büchern gerissen.
»Wegen der Umwelt zuliebe!«

Ich hatte sie schon im ersten Satz verstanden. Ihr letzter Satz allerdings war so lieblos dahingeworfen, dass er bei mir Fragen aufwarf. Im Namen der Liebe? Der Umwelt? Ich meine, ich stand inmitten eines Ladens voller Bücher, Schulhefte, Kalender etc.! Alles aus Papier. Papier, für das täglich hunderttausende Bäume auf der Welt gefällt wurden.

»Ja genau deswegen«, sagte ich, »und nicht wegen der Vereinbarung mit der Regierung.«

Ich mochte es überhaupt nicht, wenn man mir scheinheilige Gründe nannte und mir statt Bücher mich für dumm verkaufte. Wer mir gefühlt die letzten hundert Jahre kosten- und gewissenlos Plastiktüten aushändigte und seit gestern plötzlich seine Liebe zur Umwelt entdeckte, dem nahm ich seine neu entdeckte Liebe nicht ab. Vor allem nicht, wenn diese wundersame Wendung zeitgleich mit der Einigung von Handel und Regierung einherging.

Warum wurden überhaupt noch Plastiktüten verkauft?!

Noch so eine Frage, die sich in meinem Kopf zu Wort meldete.

Nein, ich wollte mich nicht weiter hineinsteigern. Sie konnte nichts dafür und für die Umwelt war es wichtig, unabhängig vom dahintersteckenden Beweggrund. Außerdem war ich nicht viel besser, was den Umweltschutz anging, aber ich tat nicht so als ob.

Währenddessen schaute sie mich mit einem Gesicht im Leerlauf an, hinter dem ein routiniertes F*ck dich! zu lauern schien. Ich war also nicht ihre Nummer Eins. Mit einem das kann ich auch! entkuppelte ich mein Gesicht und spiegelte sie. Laut kleinem Handbuch für Westentaschenverführer fördert die Nachahmung des Gegenübers die Sympathie. Hoffentlich verstand sie meine versteckte Botschaft!

Non-verbale Kommunikation. Sich ohne Worte verstehen. So also fühlte sich Sex völlig vom Körper losgelöst auf mentaler Ebene an. (Ein Frage an die Literaturkritiker unter Euch: Geht die Plastiktüte als Metapher für eine Lümmeltüte durch?)

»Nein, danke.« Die Worte kamen hastig und abrupt aus mir herausgeschossen. Ich hatte vergessen, dass sie auf meine Antwort gewartete hatte.

Ich bezahlte. Ohne Tüte aber dafür verärgert und unbefriedigt. Auch dieses Erlebnis teilten wir.

Sie und ich trennten uns erzwungen höflich voneinander, während das erotische Wort noch immer zwischen uns schwang (auf irgendeiner Ebene blieben wir miteinander verbunden).

Mit meiner rechten Hand umfasste ich beide Bücher, winkelte meinen Arm an und klemmte sie gleichzeitig darunter. Plötzlich fühlte ich mich wie ein Student, der ich einst war. Sofort verflog meine Verärgerung.

Ich schaute ihr heiter nach und entdeckte in der Ferne volle Wolken, die den Himmel zu verdunkeln begannen. Die Blätter raschelten schon ganz aufgeregt, während sie versuchten, dem Wind auszuweichen. Oh, ich muss mich beeilen!

Während ich hinausstürmte, tat sie das gleiche. Sie musste die Bücher von draußen hineinholen. Wir schauten uns nicht an. Während sie die Bücher wie in einem Kinderwagen hinein rollte, presste ich schützend meine enger an meinen Körper. Als ich plötzlich durch ein Geräusch aufgeweckt wurde, wie eine Mutter durch den Schrei ihres Babys.

Oh nein! Sofort hörte ich es heraus: Ein Regentropfen klatschte auf eines meiner Bücher. Ich schaute bestürzt hin. Bereit, alles zu verfluchen und zu verklagen. Ein dicker Tropfen lag wie ein feuchter Kuss auf dem oberen Buch. Zum Glück war es in Plastikfolie eingeschweißt!

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