Das Bett

Den ganzen Tag lang fühlt sie sich nicht gut. Viele Gedanken, Sorgen und Probleme schwirren kaum greifbar in ihrem Kopf umher. Vor allem um ihn. Auf den Film heute Abend hatte sie sich deshalb besonders gefreut, erhoffte sie sich doch davon etwas Ablenkung – vielleicht auch etwas Nähe. Sie sind nur wenige Jahre verheiratet und das war es schon?

Sie blickt zu ihm hinüber. Er sitzt links neben ihr auf ihrer gemütlichen Couch. Konzentriert sich auf den Film, während er achtlos den Fruchtteller aufisst, den sie so liebevoll hergerichtet hatte. Er ist ihr so nahe, aber fühlt sich so fern an. Sie berühren sich nicht. Wo bist du, flüstert in ihrem Inneren eine zerbrechliche Stimme fast verzweifelt und nicht hörbar ihm zu.

Sanft legt sie ihre Hand auf seine. Er dreht sich zu ihr. Beide lächeln sich an. Er nähert sich ihr und startet einen Annäherungsversuch. Anstatt sie zärtlich in den Arm zu nehmen, scheint er auf etwas anderes Lust zu haben. Sofort stößt sie ihn von sich.

„Warum denkst du immer nur an das Eine!“

„Wann haben wir denn zuletzt Sex gehabt!“

Jetzt sind sie beide sauer aufeinander. Er steht auf. Geht ins Bett. Sie hingegen kann sich noch nicht schlafen legen. Zu sehr ist sie innerlich aufgewühlt. Sie braucht jetzt Ablenkung, Trost oder was auch immer. Also ruft sie eine Freundin an. Ein langes Gespräch, in dem sie ihr Mut macht und sie aufbaut. Gebraucht hätte sie es selbst, aber sie fühlt sich danach wohl und beschließt, auch schlafen zu gehen.

Vorsichtig öffnet sie die Schlafzimmertür. Es ist sehr still und dunkel. Horcht hinein. Sie hört ihn nicht. Sie kann ihn auch nicht sehen. Ein kühler Wind entweicht dem Türspalt, denn er hatte das Fenster aufgelassen. Sie tastet sich ans Bett heran, streckt die Hand zu ihm oder dorthin wo sie ihn vermutet, greift aber ins Leere. Er ist also im Schlaf nicht auf ihre Seite des Bettes gerutscht. Ist er wirklich da, fragt sie sich plötzlich.

Während sie liegend darauf wartet, sich an die Dunkelheit im Zimmer zu gewöhnen, formt sich viel zu klar ein Gedanke in ihr, der sich beklemmend auf ihren Brustkorb legt. Wir liegen hier gemeinsam im Bett, jeder für sich auf seiner Seite, getrennt. Weder sehen noch hören oder fühlen wir uns. Ihr wird kalt. Sie dreht sich zu ihm und kuschelt sich an ihn.

„Was“, stößt er schlaftrunken auf und scheint für einen Moment benommen. Dann spürt er ihre warme Nähe und nimmt sie in den Arm. „Wie geht es dir“, flüstert er. „Es geht mir ein bisschen besser“, antwortet sie ihm fast erfreut. Er küsst sie. Wird stürmischer. Sie richtet sich im Bett sofort auf.

„Du fragst mich den ganzen Tag nicht, warum es mir nicht gut geht. Stattdessen versuchst du bei jeder Gelegenheit mich rumzukriegen! Du bist unsensibel und ein Egoist!“

Sie ist den Tränen nahe. Jetzt richtet auch er sich auf. Jetzt kann auch er nicht mehr ruhig sein. Er regt sich auf und wirft ihr vor, sie habe ein falsches Timing. Er sei ins Bett gegangen, um zu schlafen, da komme sie an, völlig unverhofft und unvorbereitet mit solchen Vorwürfen, genau dann, wenn er schlafen muss!

Sie dreht sich um, damit er sie nicht weinen sieht und legt sich hin. Ein dunkler Gedanke verfinstert ihre Seele. In diesem Bett werden keine Intimitäten ausgetauscht.


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