Defragmentation by Hakan Civelek

Meine Güte, hat denn dieses Jahr jeder Geburtstag?!

Freitag, 21.10.2022. Bielefeld.

Diese Frage habe ich mir ehrlich gestellt. Schon wieder liegt eine Rundmail in meinem Arbeitspostfach. Wieder hat eine Kollegin oder ein Kollege Geburtstag oder sonst irgendetwas. Dies ist die x-te E-Mail, die nach einer Spende mit Angabe eines Kontos fragt.

Dank PayPal geht das nicht nur erschreckend einfach, sondern erlaubt mir, meine Überweisungen gebündelt zu sehen. Seit den letzten beiden Jahren steigt die Anzahl meiner freiwilligen Geldgeschenke an die Arbeitskolleg:innen. Anlässe gibt es erstaunlich viele. Der Klassiker bleibt der runde Geburtstag. Dann kommen noch Hochzeiten hinzu, die sich während der Corona-Sperren für später aufgespart haben. Verheiratete Paare oder wie auch immer Gepaarte zeugen weitere Geburtstage, so spendet man für Kind 1 und auch mal für Kind 2. Jubiläen darf man auch nicht vergessen. Die treten auch nur in Gruppen auf. Ebenso Renteneintritte. Also Anlässe gibt es viele, manchmal für ein und dieselbe Person.

Natürlich überweise ich etwas. Nur scheinen die Überweisungen in den letzten beiden Jahren rapide zugenommen zu haben. Sie summieren sich zu einem kleinen Vermögen.

Die Ursache liegt auf der Hand. Als wir alle noch in unseren Büros arbeiteten, lief jemand mit einem Klingelbeutel herum. Die Runde blieb klein und zeitlich begrenzt. Jetzt, wo wir von Zuhause aus arbeiten, werden Mails mit manchmal unverschämt großem Verteiler lange vor dem Ereignis verschickt. Dem/der »Sammler:in« konnte man verpassen, aber diesen Mails entwischt niemand!

Bei diesen Aktionen fehlt mir die persönliche Note bzw. Geste. Auf mich wirkt es zu kommerzialisiert, fast schon obszön, als versuche man die größtmögliche Summe zu sammeln. Ich bin eher ein Fan von kleineren Geschenken, bei denen ersichtlich wird, dass sich jemand Gedanken gemacht und Mühe gegeben hat. Daraufhin sollte Geld eingesammelt werden, also ein Zielbetrag angegeben werden. Aber das wäre ja zu viel Arbeit.

Auch empfinde ich es allmählich als ungerecht. Es wächst ein extremes Ungleichgewicht zwischen der Häufigkeit und der Höhe dessen, was ich ausgebe und dem, was ich – absehbar bzw. endlich abzählbar – erhalten werde. Daher habe ich für mich beschlossen, nur noch meinen Kolleg:innen im engeren Kreise etwas zu spenden. Auch dieser Kreis wächst. Aber das ist in Ordnung.


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