Söckchen und die Energiefrage

Dienstag, 12.07.2022. Bielefeld.

Söckchen und ich

Knatter, knatter, knatter.

Ein metallisches Echo hallt aus meinem Fitness-Raum (eigentlich sollte es mein Arbeitszimmer werden). Es sind nicht die Trainingsgeräte. Die würden klirren.

Ich höre Söckchens unermüdliches Knabbern an den Gitterstäben.

Ihre Nachtschicht hat begonnen.

Wir arbeiten nämlich abwechselnd in Schichten. Nennt sich Arbeitsteilung.

Sie in der Nacht, am Gitter und manchmal im Hamsterrad.

Ich am Tag, an meiner Tastatur und in einem ganz großen Rad.

Allerdings verdient sie noch kein Geld.

Das stört sie ein wenig bzw. sie interessiert sich für das Konzept des Geldverdienens. Man muss wissen, Söckchen ist eine äußerst neugierige und aufgeweckte Zwerghamsterin in den besten Jahren. Und aktuell logiert sie übergangsweise in meiner provisorisch für sie eingerichteten Hamsterinnenpension, also in meinem Arbeitszimmer, der eigentlich ein Fitnessraum ist.

Hier überbrückt sie die Zeit, bis mein Patenkind wieder zurück aus ihrem Urlaub kommt. Daher überlegen wir gemeinsam, was wir so Verrücktes anstellen können. Und Geld zu verdienen wäre mal eine willkommene Abwechslung.

Wir hätten gerne beide als Team zusammengearbeitet. Allerdings sind die Phasen unserer zeitlichen Überschneidung sehr dünn ausgeprägt. So kamen wir auf diese wilde Idee mit der Schichtarbeit und landeten Dank ihres Hamsterrads bei der Energiegewinnung. So schnell kann das gehen.

Also, wir planen, ein Dynamo an ihr Laufrad anzuschließen, um unter die Stromerzeuger zu gehen. Bekanntlich ist Energie zurzeit in Deutschland sprunghaft teuer geworden und die Menschen versuchen das Kunststück, von Gas & Öl auf Wärme durch Strom umzusteigen. Die Nachfrage ist also da.

Apropos Wärmegenerator! Zu Zeiten von Krypto-Mining, sage ich, hätte man ja denken können, dass genug Wärme erzeugt würde, um mehrere kommende Winter durchzustehen. Mein Ex-Berater-Kollege Rick erzählte mir mal, dass er fünf Rechner zusammengeschraubt hätte, die jeweils mit sechs bis acht Grafikkarten bestückt seien und im Keller so viel Wärme produzierten, dass er das ganze Haus im Winter warmhalten könne1.

Sie schaut mich verwundert an als wollte sie sagen, wo ist hier der Zusammenhang oder was hat das mit unserem Unterfangen zu tun?!

Ich schaue verlegen weg. Ich wollte angeben.

Sie geht wieder in ihr Hamsterrad.

Und so dreht sich das Rad weiter. Und irgendwann werden wir wieder an den Ort (oder die Zeit?) mit den niedrigeren Energiepreisen angelangt sein.

Die Gitterstäbe werden immer noch da sein.

Das Hamsterrad auch.

Das große Rad auch.

Ebenso unsere Arbeitsteilung in unserem Zwei-Personen-Betrieb im Zwei-Schichten-Modell.

Dann werden Söckchen und ich uns gemeinsam überlegen, ob wir es doch noch schaffen, eine weitere Einnahmequelle zu generieren. Möglichkeiten gäbe es da genug. Wir haben ja nicht nur ein Energieproblem, sondern auch noch einen Arbeitskräftemangel wegen der Babyboomer, die bald in Rente gehen. Da hätte Söckchen auch ohne Ausbildung gute Chancen2.

Tiere in Jobs, sagt Söckchen, werden immer mehr gefragt werden, jetzt wo die Menschen immer mehr aussterben3.

Wo hat sie das denn her?

Jetzt schaue ich ein wenig verwundert. Vielleicht schaut sie heimlich Fernsehen…

Aber eigentlich träumen wir beide von Frührente.

Also, so viel ändert sich dann doch nicht.

Es kommt einem nur so vor.

Weil sich das Rad so schön dreht.

Knatter, knatter, knatter.

Söckchen knabbert wieder. Ich muss sie herauslassen, sonst hört sie nicht auf. Sie ist nämlich ein Workaholic.


Anmerkungen

  1. Die Idee, die beim Mining erzeugte Wärme für Häuser zu nutzen, ist kein Hirngespinst von mir, sondern es gibt schon länger ähnliche Bestrebungen.

    Zum Beispiel in North Vancouver, versucht die Stadt die aus dem Bitcoin-Mining gewonnene Wärme über Fernwärme in die städtischen Haushalte zu leiten.
    Quelle: https://www.weltderwunder.de/bitcoin-mining-ist-viel-gruener-als-oft-behauptet/, Stand: 21.08.2022.

  2. Der Fachkräftemangel reduziert sich nicht nur auf Fachkräfte, sondern weitet sich generell auf Arbeitskräfte aus. Das konnten die Urlauber sehr gut an den Flughäfen beobachten, wo es zu langen Wartezeiten kam. Man muss allerdings nicht bis zum Flughafen fahren, um den Mangel an Personal zu sehen, sondern gleich um die Ecke leidet die Gastronomie ebenso an Personal.
    Quelle: https://www1.wdr.de/nachrichten/wirtschaft/corona-personalmangel-flughaefen-fachkraefte-100.html, Stand: 21.08.2022.

  3. Das ist meiner Meinung nach eine radikale und aufmerksamkeitserhaschende Interpretation des Geburtenrückgangs. In den entwickelten Industrienationen beobachtet man seit Langem einen Rückgang der Geburten, d.h. die Anzahl der Kinder pro Frau nimmt ab.

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