Designed Survivor

Designed Survivor und eine unangenehme Produktplatzierung

Mittwoch, 16.01.19. Bielefeld.

Zu Hause verzehrt mein Trimmrad Stunden von Serienkilometern. Im Moment schaue ich mir auf Netflix »Designated Survivor« an. Bei einem Terroranschlag im Kapitol kommen die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes, der Präsident und seine Kabinettsmitglieder ums Leben. Scheinbar überlebt keiner diesen Anschlag, bis auf den Notfallüberlebenden Thomas Kirkman, also den Designated Survivor, denn der muss sich an einem sicheren Ort entfernt vom Kapitol aufhalten. Kirkman wird als letztes überlebendes Kabinettsmitglied zum neuen Präsidenten vereidigt und damit beginnt diese Suche nach den Terroristen.

Die Serie ist nett, freundlich und durchaus spannend. Manchmal habe ich das Gefühl, das etwas zu konstruiert ist und mich nicht ganz überzeugt. Es liegt nicht nur daran, dass ich ein Fan von »House of Cards« bin, sondern an Kleinigkeiten, die mich immer ein wenig aus der Handlung herausreißen. Dann vergesse ich es, bis wieder eine Kleinigkeit mich irritiert und mich dann wieder an das Gefühl erinnert, dass da doch vorher schon etwas nicht passte. Es ist wie ein Stolpern, bei dem man aus dem Takt gerät, aber nicht hinfällt. Passiert es allzu häufig, dann bleibt man stehen und blickt auf den zurückgelegten Weg und fragt sich, was ist das los.

Dieses letzte Stolpern erlebe ich heute in der Episode 18 der ersten Staffel (1×18). Der Titel dieser Episode lautet »Lazarus«, was vermutlich eine biblische Anspielung auf Lazarus ist, der von den Toten auferweckt wurde und als Patron der Totengräber gilt. Das scheinbare Auferstehen von Totgeglaubten (könnte man als Lazarus-Phänomen bezeichnen) taucht mehrfach in der Serie auf. Anscheinend hat es auch bei mir einige Geister – kritische Geister – aufgeweckt, während ich gedankenfrei in die Pedalen meines Hometrainers trete und kein bisschen vorankomme.

Schnitt. Zwei FBI Agenten.

Designed Survivor 1x18 Lazarus

Schnitt. Die Kamera zeigt das Display der FBI Agentin Hannah Wells. Dort startet eine Fahrzeug-App den Motor eines Autos:

Designed Survivor 1x18 Lazarus

Zuvor hatte sie einen Verdächtigen aufgesucht und befragt. Der Verdächtigte steigt in den Wagen und fährt weg. Ich denke mir, sie hat etwas am Wagen des Verdächtigen manipuliert und startet die Überwachung oder Aufzeichnung für die Verfolgung.

Schnitt. Einblenden in das Innenleben des Autos:

Ok, das Fahrzeug startet. Der Tacho zeigt keine Geschwindigkeit an, hm, und »Entertainment« ist ausgewählt, hmm, ist der Verdächtige nicht losgefahren und unterwegs, hmmm.

Rauszoomen. Ein irritierend fettes Logo von »Ford« erscheint auf dem Display. Das »Entertainment«-System startet:

Designed Survivor 1x18 Lazarus - Produktplatzierung

Ich frage mich, wozu diese Szene überhaupt – Werbung! –  gezeigt wurde, weil sie die Handlung nicht vorantreibt, denn danach steigen sie in das Auto und fahren. So hat sie für mich keinen Sinn und ist ohne Bedeutung. Doch bevor ich mir diese Frage stellen kann, spuckt mein Gehirn das Wort »Werbung« aus und klebt ein »Schleich« davor.

Das ist mir dann doch zu platt. So eine dreiste Produktplatzierung habe ich nicht erwartet. Ich bin ein wenig enttäuscht. Ich finde, es zeigt, dass die Macher der Serie ihren Zuschauer nicht respektieren und im schlimmsten Fall für dumm verkaufen.

Während das Trimmrad stillsteht komme ich in Fahrt und die vielen Kleinigkeiten, über die ich gestolpert bin, sammle ich jetzt auf.

Diese Möchtegern-Technik-Affinität mit der Fahrzeug-App steht im krassen Gegensatz zu der Missachtung moderner Techniken wie ein simples Smartphone. Die FBI Agentin Hannah Wells findet Beweise gegen den Vize-Präsidenten. Diese muss sie dringend der Sprecherin des Repräsentantenhauses übergeben, um die Vize-Kanzlerschaft des Abgeordneten Peter MacLeish zu verhindern. Doch statt diese direkt mit dem Smartphone abzufotografieren, rast sie mit dem Auto los. Es geht um Minuten. Natürlich passiert etwas unterwegs, sonst wäre es nicht spannend.

Wieder FBI Agentin Hannah Wells. Sie beobachtet mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten eine Gruppe von Leuten, unter denen sie überraschend einen totgeglaubten entdeckt. Natürlich wird von ihren Kollegen angezweifelt, ob sie ihn wirklich gesehen hat. Es war dunkel. Sie war weit weg. Etc. Warum hat sie keine Fotoausrüstung dabeigehabt? An jenem Abend hat sie kein einziges Foto von dem »Auferstandenen« geschossen, ebenso wenig von seinen Verbündeten.

Das sind nur zwei von weiteren Irritationen. Immer wieder mal habe ich das Gefühl, das, was dort abläuft, ist künstlich, konstruiert.

Vielleicht bin ich auch zu kleinkariert oder überkritisch (bestimmt!). Aber ich erinnere mich nicht, wann ich zuletzt bei einer Serie so häufig gestolpert bin.

Vielleicht liegt es auch daran, dass mich die FBI Agentin Hannah Wells nicht überzeugt. Ihre Rolle erscheint mir zu gewollt und schlecht ausgearbeitet. Sie überzeugt mich nicht als taffe FBI Agentin. Als ich sie zum ersten Mal sah, war ich verblüfft, wie unglaublich dünn sie ist, weil es nicht meinem natürlichen Bild von Menschen entspricht. Daher war mein erster Gedanke die Frage, ob sie ein Vorbild für andere Frauen sein soll bzw. kann.

So oder so, das Bild von der taffen, und natürlich starken, Frau nehme ich ihr nicht ab. Mir scheint es, dass sich die Drehbuchautoren denken, wir nehmen eine hübsche Frau, lassen sie ernst schauen und nie lächeln, zeigen sie beim Boxen gegen einen Sandsack und gegen den Strom schwimmen. Und lassen sie noch andere Sachen machen, die echt taff sind.

Hübsch, taff, stark, eigener Kopf und Durchsetzungsvermögen. Völlig überzeichnet. Geht es nicht noch dicker? Auf mich wirkt die Figur der FBI Agentin Hannah Wells wie ein Klischee. Und manchmal wie ein Fremdkörper in der Serie.

Schade eigentlich, denn andere Figuren finde ich sympathisch und interessant, wie den Stabschef des Weißen Hauses Aaron Shore und die Sonderberaterin des Präsidenten Emily Rhodes. Die Chemie zwischen den beiden stimmt.

Schade eigentlich…

PS. Vinh, danke für die Serienempfehlung.


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