Geblitzdingst - Photo by Thaddaeus Lim

Geblitzdingst mit zu schnell

Wenn in dunkler Nacht ein Licht plötzlich deinen Weg hell erleuchtet, dann verwandelst du dich wieder zu einem weisen Menschen, einem sehr verärgerten weisen Menschen. Mit unnötigen Erkenntnissen und Vorwürfen von gestern, die aufgeschreckt durch deinen Kopf geistern und dort nur Blödsinn anrichten statt zu helfen.

Ich wachte an einem müden Tag auf und fand mich als Blödmann wieder. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich es nicht. Es geschah genau zwischen 5 und 6 Uhr mit dem Hang zur vier. Es war an einem trüben Heute.

Der Morgentau hatte meinen Wagen beschlagen. Müde fuhr ich los. Und die Straßen waren leer, weil es Freitag war (oder zu früh). Nur der Nebel kroch am Boden und konnte sich nicht hoch berappen.

Auf dem Ostwestfalendamm. Niemand war im Weg (wo sind die anderen, wenn man Schuldige braucht?!). Auf der Strecke, bei der sich Tag für Tag eine unerwünschte Routine eingeschlichen hatte, kämpfte ich mich voran. Heute gegen imaginäre Gegner, sonst andere Autos, die immer zu dicht gedrängt mit ansteckender Hektik fahren (oder doch nur gegen mich? Nein, ich hatte gelernt). Immer auf der Suche nach der nächsten vielversprechenden Lücke.

Ich fahre unbemerkt schnell bis mich ein grelles Licht mit orangenem Stich ertappt. Mein Blick eilt zum Tacho. Ich wurde geblitzt! 120 km/h – bin ich innerorts oder außerorts?

Ich will mich aufregen, bin aber zu müde. 100 sind erlaubt oder – einen Moment denke ich nach…, gibt es nicht den Lärmschutz in der Nacht?! Ich schaue auf die Uhr. 5 nach 6. Wie genau geht meine Uhr?

Auf WDR5 laufen die Nachrichten (wie schnell sind die eigentlich?). Noch einmal Glück gehabt.

Mit Abzug der Toleranz, rechne ich mir aus, liege ich sicher nicht über 21 km/h – dieser magischen Grenze, jenseits dessen alles schlimmer wird und wünsche mir viel mehr Toleranz unter Menschen, im Verkehr, überall!

Es beruhigt mich nicht. Fünf Minuten früher und dann… glücklicherweise weiß ich nicht, was dann wäre. Diese Strecke fahre ich jetzt über ein Jahr jeden Tag: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Das ist ziemlich dämlich – nicht die Strecke, sondern ich. Eigentlich müsste es eine Strafe für Dämlichkeit geben und nicht für überhöhte Geschwindigkeit.

Was soll’s, es ist passiert, und ändern kann ich es jetzt nicht mehr. Ich fahre langsamer und meine Gedanken entfernen sich kaum vom Blitzer, als hätte das grelle Licht etwas in meinen Kopf hinterlassen oder aufgeweckt. Hirnwach und körpermüde.

Meine Gedanken malen den Worst Case aus. Einen Monat lang mit Bus und der Bahn zur Arbeit fahren und wieder zurück. Wäre das so schlimm? Eine Art Zwangsentschleunigung mit Muse. Ich könnte den Führerschein im Februar abgeben oder einen Monat auswählen, in dem ich mir mindestens zwei Wochen Urlaub nehme.

Es hilft nichts. Ich werde den Gedanken nicht wirklich los. Leider funktioniert dieser Blitzer nicht wie dieses Blitzdings, also der Neuralisator bei Men in Black. Wie schön wäre das? Nach dem Blitzen wird dir noch eine kleine, beruhigende Geschichte erzählt: Du hast es nicht eilig. Du bist völlig entspannt. Du bist die Mitte deines Karmas. Deine Augenringe passen wunderbar zum Dunkel der Nacht. Lauter nette Stimmungsaufheller am Morgen, die dich durch den Morgen oder den ganzen Tag tragen.

Und dann schickt dir das Ordnungsamt deines Vertrauens eine kleine Rechnung für ihre Behandlung. Keine Strafe. Und die könnte ruhig etwas höher ausfallen. Dafür zahle ich gerne.

Wieso nicht?! Eine Art »Lernen durch Belohnung«. Genau, warum keine Belohnung? Wer die Strecke in der vorgegebenen Geschwindigkeit durchfährt, darf dafür früher Feierabend machen. Wäre das nicht der nobelpreigekrönte Schubs aka Nudge in die richtige Richtung? Wie soll ich denn sonst optimale Entscheidungen treffen.

Irgendwie fehlt mir die Motivation. Das Wort leitet sich aus dem lateinischen Verb movere ab und bedeutet bewegen, antreiben. Ich bewege mein Auto, während ich still darin in Gedanken sitze.

Meine Ablenkung funktioniert nicht, und wenn das hier jemand liest… Bloß nicht größer werden lassen, als es ist! Die Ironie ist, noch gestern regte ich mich über einen mir falsch zugestellten Bußgeldbescheid auf. Sie hatten im Nummernschild das V als W gelesen, eine typische VW-Verwechslung (dieser Kalauer ist allen meinen Kollegen aus einem bestimmten Projekt gewidmet). Jetzt werde ich wieder ein Schreiben bekommen. Aber wer weiß, vielleicht wird diesmal der andere Fahrer angeschrieben…

Photo by Thaddaeus Lim on Unsplash

Nachtrag

Der Brief vom Ordnungsamt zuständig für Verkehrsordnungswidrigkeiten brauchte bis zu meinem Briefkasten knapp zwei Monate. Da war ich ein wenig schneller und hatte dennoch Glück. Ich hatte die Höchstgeschwindigkeit außerhalb um 11 km/h überschritten und durfte 20,- Eur überweisen.


2 Antworten zu “Geblitzdingst mit zu schnell”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert