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Ein Schrank voller ungelesener Bücher und ein Leben mangelnder Zeit

Jeden Abend gehe ich jetzt mit einem Buch ins Bett.
Schon seit ein paar Wochen mache ich das. Wieder.

Während meines Studiums las ich sehr viele Bücher. In einem Jahr zählte ich über 50 Bücher, darunter dicke Wälzer wie »Der Zauberberg« von Thomas Mann oder »Anna Karenina« von Tolstoi. Dazu kamen duzender Sekundärliteratur, weil ich verstehen wollte, wie die Autoren in der Lage waren, solche Bücher zu schreiben.

Heutzutage schaffe ich kaum noch die Hälfte. Daher beschloss ich, wieder mehr zu lesen. Doch wenn die Zeit fehlte, half ein Beschluss kaum. Also verlegte ich die Zeit des Lesens vermehrt auf die Schlafenszeit – meistens vor dem Einschlafen.

Manche Bücher las ich in den Morgenstunden vor der Arbeit wie »Die geheime Geschichte« von Donna Tartt.

Ich bin leider Frühaufsteher, unabhängig davon, wann ich schlafen gehe.

Daher funktioniert das Wachbleiben beim Lesen nicht so gut. Ich halte nicht lange durch und schlafe schnell ein – die Müdigkeit, das Alter (ihr kennt das). Dann wache ich wieder zu früh auf, um am Abend zu früh müde zu werden. Ein Teufelskreis.

Aber dafür bleibt das Buch eine Weile bei mir.

Das ist gar nicht so schlimm. Es gibt da nämlich die andere Variante, die den Leser um den Schlaf raubt. Denn vor dem Schlafen zu lesen ist immer ein riskantes Unterfangen. Das Buch könnte sich in den unpassendsten Momenten als fesselnd herausstellen und mich nicht mehr loslassen (nein, ich habe und werde nie »Shades of Grey« lesen! Übrigens bedeutet »grey« grauenhaft), egal wie häufig ich das Safeword in Gedanken rufe (»morgenfrüh bist du im Arsch!«). Aber gute Bücher lassen mit sich nicht verhandeln. Gute Bücher sind wie Sex. Man möchte sie schnell zu Ende lesen und zugleich niemals aufhören.

Daher lese ich als erfahrener und feinfühliger Bücherliebhaber mehrere Bücher gleichzeitig. Ja, ich lese mehrere Bücher parallel. Meistens sind es 2 – 3. Anders würde ich vermutlich keine Handvoll Bücher im Jahr lesen.

Eines der Bücher fürs Bett, kuschelig und entspannend und leicht und handlich. Ich will schließlich schlafen. Und sollte ich das Buch nicht aus der Hand gelegt haben, nicht durch den harten Kuss des Buches in meinem Gesicht unsanft geweckt werden.

Ein anderes ist für Zwischendurch, wie so ein Quickie, ohne langes Vorspiel, direkt zur Sache kommend. Ich kann es jederzeit an jeder Stelle mir greifen, es öffnen und einfach wieder weglegen (wenn ich keins zur Hand habe, dann ist es eines dieser drei Bücher).

Und das Dritte ist für ausgedehnte Lesezeiten am Wochenende auf meinem bequemen Sofa, das weiß wie die Unschuld und von Staub befleckt ist. Dafür nehme ich mir Zeit, lese es langsam, entdeckte wundervolle Sätze darin, unterstreiche sie, während ich sie beim leisen Aussprechen auf der Zunge zergehen lasse und über die Bedeutung nachdenke. Also etwas für Genießer.

Die Bücher wissen voneinander. Alle! Ich verheimliche ihnen nichts und mache ihnen auch keine falschen Versprechungen, denn früher oder später stehen sie gemeinsam im Bücherregal, neben all den gelesenen und den noch zu lesenden Büchern – und dann reden sie bestimmt über mich. Das wird ein Spaß!

Und, ich bin ihnen allen treu! Wenn mich jemand fragt, ob ich lange Beziehung führen kann, dann verweise ich auf meine Bücher. Von denen habe ich mich noch nie getrennt.

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2 Antworten zu “Ein Schrank voller ungelesener Bücher und ein Leben mangelnder Zeit”

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