Die Bildschirme über den Kassen im real,- blenden Werbung in kräftigen Farben ein. Etwas gelangweilt vom Warten blicke ich hinauf. Wettervorhersage, dann eine Apotheke ihres Vertrauens direkt um die Ecke.
Ich schaue weg, uninteressant.
Was ich aber nicht weiß: Es könnte sein, dass ich in jenem Augenblick des Aufschauens ins Blickfeld einer Kamera geriet, die dann ehe ich wegschaute eine Gesichtsanalyse durchführte.
Das Ergebnis: Männlich und ziemlich alt.
Im Herbst startete real,- in 40 von 285 Märkten den Testbetrieb mit der Blickkontakterfassung von Werbebildschirmen im Kassenbereich. Dabei wird das Geschlecht und Alter des Betrachters ermittelt und diese Daten verschlüsselt an einen externen Werbedienstleister (Echion) übermittelt.
Als ich davon heute auf SPON und Stern las, war ich irritiert und dachte zunächst, in meinem real,- des Vertrauens kann das nicht der Fall sein, denn es gab keine Hinweise darauf.
Doch ich irrte mich.
»Dieser Markt wird videoüberwacht« stünde auf dem Hinweisschild und somit wäre ich als Kunde nach Meinung eines Real-Sprechers darüber informiert.
Ich Dummerchen nahm an, die Kameras wären wegen der Ladendiebe angebracht, vergaß aber, großzügig zwischen den Zeilen zu lesen!
Außerdem würden die Bilder nur 150 msec. gespeichert und dann gelöscht. Das System wisse auch zu keinem Zeitpunkt, wer ich sei.
Ein sehr schräges Verständnis von Anonymität und der Art, wie man Kunden informiert. Und wen sollen die 150 msec. beruhigen? In der Welt der Computer ist das eine kleine Ewigkeit, in der dein ganzes Leben aus dem Internet herausgesaugt und zerpflückt werden kann.
Und wer sagt, dass sie nicht irgendwann in naher Zukunft versuchen werden, Kunden wiederzuerkennen? Zum Beispiel unter dem Vorwand, Ladendiebe mit Hausverbot ausfindig zu machen?
Oder die Analyse geht weiter und empfiehlt mir zur Belustigung der umstehenden Leute ein Mittel gegen Gesichtsherpes gleich in der Apotheke nebenan für nur 9,95 wenn ich sofort zuschlage?
Im Ernst, eine Empfehlung einer passenden Gesichtscreme fände ich gar nicht mal so schlecht.
Ich sehe Potenzial!
Natürlich liegt es an mir, dass ich so misstrauisch bin. Daher habe ich mir zu Sicherheit ein eigenes Anonymisierungsset zugelegt: Schwarze Perücke mit Locken und einen Mustage dazu! Das Ergebnis könnt Ihr oben im Bild sehen.
Wie sehen Eure Strategien zur Anonymisierung aus? Und welche Tipps habt Ihr bezüglich meiner Verkleidung?
Update 28.06.2017
Real stoppt die Tests mit der Gesichtserkennung durch ihre Ladenkameras. Für den Kunden sei kein Nutzen nachvollziehbar, heißt es in der Mitteilung.
(Danke an Martin für den Hinweis. Er äußerte den Verdacht, mein Artikel hätte etwas dazu beigetragen.)
13 Antworten zu “Eine Gesichtsanalyse an der Kasse im Real”
Auf netzpolitik.org heute gefunden:
Bürgerrechtler zeigen Real und Post wegen Gesichtsanalyse von Kunden an
https://netzpolitik.org/2017/buergerrechtler-zeigen-real-und-post-wegen-gesichtsanalyse-von-kunden-an/
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Marc Kaulvers
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Finde ich gut 😀
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foo
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Call me Manon
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Heute gratis! Eine Gesichtsanalyse an der Kasse im Real fxhakan.info/2017/05/gesich…
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Mensch
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Bücher-Eule
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nice pic – der Bart steht Dir
Danke, aber was ist mit meinen Haaren?! Sind sie nicht umwerfend…
Vote with you wallet. Einfach nicht mehr dort kaufen gehen und solche Methoden werden ganz schnell wieder zurückgefahren. Das ist das Einzige, was Konzerne verstehen. Meckern, aber weiter dort kaufen… bringt mal gar nix. Wenn man brav weiter dort einkaufen geht und das Modell als erfolgreich eingestuft werden kann, werden andere Märkte auf den Zug aufspringen. Nicht wir müssen uns der Konsumwelt anpassen, die müssen sich uns anpassen. Wert bemisst sich nach Angebot und Nachfrage. Die haben Macht über das Angebot, wir haben Macht über die Nachfrage.
Hi Steven,
danke für Deinen Kommentar!
Im Grunde hast Du recht, aber wie bei vielen Dingen stellt dort nicht einzukaufen für mich keine Option da. Ich meckere – ausnahmsweise – in diesem Fall nicht 😉 Ich finde nur die Art, wie Real seine Kunden informiert und das Thema banalisiert zweifelhaft. Und sollte ich meckern, dann dient es auch dazu, andere darüber zu informieren. Denn auch damit erreicht der Einzelne gemeinsam mit anderen etwas und vielleicht sogar mehr…
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Hakan von C
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