Alle Jahre wieder – Weihnachtsspende

Kalt ist es draußen geworden und doch will keine weihnachtliche Stimmung aufkommen. Da fehlt etwas, das sich von innen an unser Herz kuschelt und aufwärmt. Becherweise Glühweintrinken hilft da nur kurzweilig. Was eignet sich da besser als der lauwarme Aufguss eines 30 Jahre alten Lieds „Do They Know It’s Christmas?“ zur Weihnachtszeit, das passend von allen Lautsprechern direkt in mein Gewissen tönt.

Ok, dann leide ich, aber nicht wegen meines schlechten Gewissens oder schlechtem Musikgeschmacks. Nein, ich gebe es offen zu, ich spende meistens meiner Mutter zur Liebe. Die Arme sorgt sich um ein Seelenheil. Vielleicht gerade deswegen erwacht ein kleines Teufelchen, wenn es millionenschwere Prominente zu einer Spende aufrufen hört, und flüstert diese ungezogene Frage in mein Ohr:

Was spenden sie selbst?

Während ich mit dieser Frage die Appelle der Prominente beiseite schob – vielleicht war das meine Art der Vermeidung -, handelte die Sängerin Adele auf ihre eigene Weise. Sie reagiert nicht auf die Anrufe von Sir Bob Geldof; dem Mann, der mit der Organisation von „Live Aid“ weltberühmt wurde (und nicht durch seine Songs – hat er denn mehr als einen Song?). Während sich der selbstgefällige Bob über die Adele unadelig echauffierte, denn in seiner Welt gab es keine Absagen und daher hatte er Adele ungefragt als Sängerin beim „Band Aid“ angekündigt, erläuterte die Autorin Bryony Gordon der „The Telegraph“, warum Adele sich gerade richtig verhalten hätte [1].

Gorden fragte sich, warum die Schönen und Reichen nur ihre Zeit spendeten, während wir unser Geld ausgeben sollten. Dafür, schrieb sie weiter, würden die Stars von uns erwarten, dass wir sie feierten und bewunderten. Jetzt mal ehrlich, wer von uns hätte von Ebola in Afrika und dem Leid der Menschen dort ohne die Hilfe der Promis erfahren? Genau, wir alle.

Es gibt keinen Mehrwert – im Gegenteil: „Band Aid“ wird sogar kritisch gesehen. Gleich das Logo zeigt den Kontinenten Afrika schwarz hervorgehoben. Das Bild nimmt ganz Afrika in Beschlag, dabei sind laut Robert-Koch-Institut nur vier von 54 Staaten vom Ebolafieber betroffen: Guinea, Sierra Leone, Liberia, Mali [2].

Um Weihnachten zu feiern, brauchen die Menschen neben den richtigen Ressourcen auch die richtige Religion. Laut Wikipedia [3] sind in Guinea 90% der Menschen islamischen Glaubens. In Sierra Leone sind 70% sunnitische Muslime und ca. 85% in Mali. Liberia bleibt das einzige Land mit vorwiegend Christen (ca. 85%). Auf die Frage, ob sie wüssten, was Weihnachten sei, könnte ich mir passende Antworten vorstellen.

Kommen wir zu meiner Eingangsfrage und gehen einen kleinen Umweg, um etwas effekthascherisch wie das Video zu sein. Wir werden emotional, wir reden vom Vermögen, einem der wohlbehütetsten Geheimnisse auf der Welt:

  • Bob Geldofs geschätztes Vermögen liegt bei ca. 40 Mio. € [4]

Ich gönne im sein Vermögen. Vermutlich spendet er mehr als ich. Was bekomme ich davon mit? Was hat er selbst für Ebola gespendet? Ich erinnere mich nur an die Medienberichte, worin er negativ mit seinen Steueroptimierungen aufgefallen ist. Indes hatte Adele still und heimlich an eine wohltätige Organisation gespendet und Sinéad O’Connor deutete es an, ihr gleich getan zu haben.

Wie wäre es denn, wenn jeder, der am „Band Aid“ teilnimmt zuerst etwas selbst spendet? Quasi als glaubwürdiges Vorbild. Das Video würde dann mit den einzelnen Stars enden, worin sie ihre Spende und die Höhe verkündeten. Weiterhin sollten sie versprechen, dass jeder Cent an die hilfsbedürftigen Menschen geht, nicht an sie, nicht an die Plattenfirma etc. Die Geschäftsführerin des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen Burkhard Wilke kritisierte die Intransparenz von „Band Aid“ [5]. Es wäre unklar, wofür die eingespielten Mittel konkret verwendet würden. Und dann wünschte ich mir, dass diese Aktionen keinen „Einmal-Hauruck“ im Sinne „Song zu Ende, Problem gelöst“ Charakter hätten. Zu guter Letzt: Was ist mit günstigen Medikamenten? Mit sinkenden Preisen würde die Spenden der Menschen effektiv gehebelt werden.

So aber bleibt bei mir dieser Reflex „Was hast du denn dazu beigetragen?“ und „Hilfst du dir selbst auf meine Kosten?“. In seiner genialen Analyse fragt Jan Böhmermann: Wer hilft hier wem zu mehr Aufmerksamkeit? Bob Geldof Afrika oder Afrika Bob Geldof [6].


via neo

Übrigens, desto ärmer die Menschen sind, desto mehr spenden sie anteilig gemessen an ihrem Einkommen. Umgekehrt läuft es genau andersherum: Je reicher, desto weniger Spende. Also brauchen die meisten Menschen diesen Aufruf zur Spende nicht.

Direkte Spenden helfen direkt.

photo credit: Funky64 (www.lucarossato.com) via photopin cc

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Quellen & Links

[1] The Telegraph: „Why Adele was right to ignore Bob Geldof and Band Aid” (Bryony Gordon)
URL: http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/ebola/11236278/Why-Adele-was-right-to-ignore-Bob-Geldof-and-Band-Aid.html, Stand 30.11.2014

[2] RKI-Online: „Von Ebolafieber betroffene Gebiete in Afrika
URL: http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/E/Ebola/Ebolagebiete_inhalt.html, Stand 21.11.2014

[3] Wikipedia.de: Guinea, Sierra Leone, Liberia, Mali
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Guinea
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Sierra_Leone
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Liberia
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Mali
Stand 30.11.2014

[4] taz.de: „Kein Schnee zu Weihnachten
URL: https://www.taz.de/Neuauflage-von-Bob-Geldofs-Band-Aid/!149941/, Stand 30.11.2014

[5] abendblatt.de: „Kritik an Bob Geldofs Ebola-Hilfe nervt die Stars
URL: http://www.abendblatt.de/vermischtes/article134736316/Kritik-an-Bob-Geldofs-Ebola-Hilfe-nervt-die-Stars.html, Stand 30.11.2014

[6] youtube.de: NEO-Magazin – „Eier aus Stahl: Campino & Band Aid 30 – Do they know it’s Scheiße?
URL: http://www.youtube.com/watch?v=qx_qdOWy784#t=65, Stand 26.11.2014

[7] fr-online.de: „Studie zur Spendenbereitschaft: Die kleinen Leute spenden mehr
URL: http://www.fr-online.de/wissenschaft/studie-zur-spendenbereitschaft-die-kleinen-leute-spenden-mehr,1472788,11130090.html, Stand 10.11.2011


2 Antworten zu “Alle Jahre wieder – Weihnachtsspende”

  1. Oh, passend gerade zu einem heute schon gelesenem Blogeintrag zum Thema Spenden. Sicher hast du recht mit alldem was du schreibst und eine Adele, Sinned und wie sie noch alle heißen mögen, die klammheimlich ohne viel Aufhebens, teilen und spenden, so freue ich mich dennoch über jeden einzelnen, der – wenn vielleicht bitter gesehen, nicht einer 100%ig soziale Intention folgt, dennoch irgendwas tut. Geldorf hin oder her. Und meine rosa Brille möchte dennoch glauben, das wenigstens irgendwann einmal eine gute Sache dahinter steckt.
    Auch denke ich, das aufgrund dieser vllt fragwürdigen Aktion, der eine oder andere folgt.
    Und du hast recht mit deinem letzten Absatz, das ärmere Menschen viel mehr anteilig spenden. Und eher auch ein Auge auf den vermeintlich kleinen Mann haben. Das ist ein menschlicher Wesenszug, der wird sich wohl nie ändern. So tragisch es auch ist.
    Ach, aber eigentlich wollt ich nur mal Hallo sagen und mich mal eben erstmal meiner eigenen Schminkgestaltung widmen 😉
    Beste Grüße, Mia

    • Hallo Mia,

      danke für deinen ausführlichen Kommentar! Zum Schminken habe ich natürlich auch etwas geschrieben;-)
      Scherz beiseite, solange es eine Win-Win-Situation ist, ist es ok. Mir ist nur nicht klar, was mit dem Geld passiert. Der gesamte Erlös könnte direkt gespendet werden. Befremdlich fand ich die Arroganz Geldofs gegenüber Adele, ebenso gibt es berechtigte Kritik an dem Band Aid, bspw. das Logo suggeriert, als würde ganz Afrika verhungern oder der Text oder ein paar Steueroptimierungen einzelner Sänger…

      Gute Nacht

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