Noch immer liegt kein Schnee. Noch immer sind die Temperaturen für einen Winter zu warm als hätten wir bereits den Frühling. Setzlinge haben sich bereits in den milden Winter verirrt. Eben dorthin hätte der junge Mann eher hingepasst, als er im Schutze der trügerischen Wärme des Alkohols auf einer Parkbank schlief, die sich inmitten des kältesten Winters befand, an den ich mich erinnern kann!

Etwas über ein Jahr liegt diese Begegnung zurück. Damals türmten sich die Schneemassen so hoch, dass es keinen Platz mehr gab, um den Schnee selbst wegzuschaufeln. Mein Nachbar und ich benötigten fast einen Tag, um meinen Wagen freizuschaufeln! Also war ich die meiste Zeit nicht mit dem Auto unterwegs wie auch an jenem Abend.

Nach der Silvesterfeier bei Freunden hatte uns eine Freundin vor der Disco abgesetzt. Nachdem wir uns beim Karaoke schrägen Gesängen hingegeben hatten, wollten wir zum Ausgleich etwas tanzen – zumindest ich. Wie zu erwarten, war der Laden überfüllt, und wir standen eine ganze Weile vor der Tür. Allmählich arbeitete sich die Kälte durch die dicken Schichten unserer Kleidung durch. Ich bin wirklich nicht für den Winter geschaffen! So machten wir uns auf den Weg nach Hause. Wir gingen zu Fuß durch den angrenzenden Park, der im Dunkeln seinen eigenen winterlichen Charme und Zauber verströmte. Es wirkte so ruhig und lenkte mich ein wenig von der Kälte ab, die jetzt meinen Körper erfasst hatte.

Während ich mich also in meine Winterjacke verkroch und versuchte, so wenig Angriffsfläche wie möglich der Kälte zu bieten, hatten sich bereits meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Ein paar Meter vor uns konnte ich eine Gestalt sehen, die kauernd auf der Parkbank saß. Er trug dunkle Klamotten. Eine Jeansjacke, dessen Kragen hochgeschlagen war und sein Gesicht halb verbarg. Seine Hände bohrten sich tief in die eng anliegende Jeanshose.

Das ist kein Obdachloser, dachte ich mir. Er scheint zu schlafen, vermutlich ein betrunkener Jugendlicher. Wie kann einer bei dieser Kälte so auf einer Bank sitzen, fragte ich mich weiter, obwohl die Frage eher vorwurfsvoll an ihn gerichtet war.

Alleine bei seinem Anblick durchlief mich ein Schauer und nun war mir wirklich kalt. Wir waren noch etwas von ihm entfernt. Ich blickte ihn weiter an. Er bewegte sich nicht. Immer wieder liefen Menschen an ihm vorbei. Niemand würdigt ihn eines Blickes. Niemand regte sich als hätte der Winter wirklich alles verhüllt.

Das gibt es doch nicht! Sieht den keiner oder interessiert sich niemand dafür! Innerlich rege ich mich noch mehr auf. Jetzt war ich fassungslos und mir schoss nur noch ein Gedanke durch den Kopf – wenn den keiner aufweckt, dann findet man ihn morgens in der gleichen Haltung wieder, entweder erfroren oder mit einer Lungenentzündung! Das Blut schießt mir plötzlich in den Kopf und meine Wangen fangen an zu glühen und zu schmerzen.

Ich beschleunige meinen Gang und zermalme dabei den Schnee unter meinen Füßen. Kaum sind wir bei ihm angekommen, stoße ich ihn unsanft an.

Hey, aufwachen! Fast schreie ich ihn an und wecke die Aufmerksamkeit der anderen.

Er wacht auf, blickt orientierungslos um sich. Jetzt bleiben auch andere stehen. Stellen sich stumm um uns herum. Er blickt mich verwirrt an und dann die anderen, erkennt aber keinen.

Nicht einschlafen! Ich befehle ihm. Als wäre das ein Weckruf für alle, beginnen ein paar Damen nun sich seiner anzunehmen. Er springt auf, schüttelt den Schlaf ab und die Kälte von sich, um dann  sofort nach seinem Handy zu greifen. Murrt etwas vor sich hin und dreht sich mit dem Handy am Ohr um.

Wir gehen weiter. Ich bin etwas durch den Wind. Fassungslos. Drehe mich zu ihm um und sehe wie er telefoniert und die kleine Menge sich auflöst. Dann frage ich mich, wie ich reagiert hätte, wenn es sich wirklich um einen Obdachlosen gehandelt hätte. Ich drehe mich wieder um und gehe heim.

Vor uns kündigt sich bereits ein Kälteschock sibirischen Ausmaßes an.


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