Die Klofrau und die subtile Verführung

Im Leben treffen wir irgendwann auf Frauen, die eine ungewollte Wirkung auf uns ausüben. Frauen, mit denen wir weder zusammen sind, noch zusammen sein wollen oder auf irgendeine Weise uns verbunden fühlen. Dennoch verführen sie uns mit ihrer bloßen Präsenz. Sie bringen uns dazu, gegen unseren Willen zu handeln auch wenn wir uns fest vornehmen, es nicht zu tun: das freiwillige Bezahlen. Jeder macht es aber keiner spricht darüber!

Es liegt ein Hauch von Uringestank in der Luft. Paart sich eifrig um die Wette mit dem sympathischen Duft von frischem Lavendel, das sich in Gestalt von Spülsteinen im Becken tummelt. Diese pikante Mischung penetriert direkt das Gehirn durch die Nase und kündigt unheilfroh die Begegnung mit ihr an – der Klofrau.

Die Begegnung

Sie sitzt vor dem Eingang der Toiletten auf einem langweiligen Stuhl in einem weißen Kittel. Lächelt freundlich. Sie macht einen zuvorkommenden und höflichen Eindruck. Nur ein lieblos daher gerichteter Tisch breitet sich zwischen dem Besucher und ihr aus. Auf dem Tisch liegt ein Teller, in denen sich ein paar Münzen verirrt zu haben scheinen.

Mist, schießt es mir ein Gedanke durch den Kopf, wenn ich gleich hinausgehe muss ich zahlen! Habe ich genug Kleingeld, frage ich mich. Vielleicht, denke ich mir, habe ich Glück und ich erwische den Moment, wo sie kurz weg ist.

Mein freiwilliges unfreiwilliges Bezahlen

Als ich wieder hinausgehe sitzt sie – wie sollte es anders sein – immer noch dort. Lächelt freundlich, aber das verärgert mich in diesem Moment noch mehr. Ich schaue auf den Teller. Sehe 50 Cent-Münzen und Ein-Euro-Stücke. Viel ist es nicht. Ein Euro finde ich persönlich zu viel. Widerwillig hole ich mein ganzes Kleingeld aus meiner Tasche heraus und kratze 50 Cent zusammen. Schmeiße sie in den Teller. Sie soll merken, dass ich eigentlich nicht zahlen möchte. Warum zahle ich denn überhaupt? Niemand hat mich dazu gezwungen! Niemand würde mich dafür bestrafen oder mir etwas vorwerfen. Und wenn es so wäre – na und! Obwohl – diese Stecke werde ich häufiger noch fahren und vermutlich auch diese Raststätte aufsuchen.

Während ich so meinem Ärger, meiner Verblüffung und meinem Gedanken nachhänge und mir fest vornehme, das nächste Mal nicht mehr zu zahlen, bemerke ich, wie die Klofrau ein paar Münzen aus dem Teller wegnimmt nachdem auch ein weiterer Gast gezahlt hatte.

Zuerst nahm ich an, sie mache dies, damit keiner das Geld vom Teller klaue, aber sie ließ dafür zu viele Münzen im Teller zurück. Um genau zu sein, es sah fast genauso aus, bevor der weitere Klobesucher und ich bezahlt hatten. Ich dachte mir nichts Weiteres dabei und stieg in mein Auto.

Warum wir freiwillig bezahlen

Money by 401(K) 2012
photo credit: money 401(K) 2012 cc by-sa 2.0

Es dauert noch eine ganze Weile, bis ich verstand, was mit mir geschehen war! Im Januar dieses Jahres hörte ich wieder einmal WDR5 beim Fahren. Dort lief eine Sendung über freiwilliges Bezahlen. Ein Restaurant überließ seinen Gästen die Entscheidung, ob sie das Essen bezahlen wollten und in welcher Höhe sie dies dann taten. Der Besitzer war von dem Erfolg seines Konzeptes überzeugt. Bisher hätten fast alle Gäste angemessen bezahlt. Ein Wissenschaftler wurde zu diesem Phänomen zu Rate gezogen und befragt, warum Menschen diese Situation nicht ausnutzen und zahlen würden.

Der soziale Zwang, das eigene Gewissen und die Erwägung, diesen Ort wieder aufsuchen zu wollen oder müssen seien die Beweggründe. Neben dem Restaurant nannte der Wissenschaftler die Klofrau als bekannte Situation, an der Ähnliches wirkt.

Die Waffen der Verführung

Ich dachte an meinen letzten Besuch an der Raststätte und versuchte, mich zu erinnern. Dort bestanden die Waffen der Verführung besonderer Art aus alltäglichen, unscheinbaren Gegenständen, die sich in jedem Haushalt wiederfinden: ein Stuhl, ein Tisch und einem Teller mit Münzen. Alles wirkt unspektakulär und unverdächtig. Blickt man jedoch genauer hin, stellt man fest, dass nichts dem Zufall überlassen wurde. Die Anordnung der Gegenstände folgt einer raffinierten und wohldurchdachten Gesamtkomposition – mit dem einzigen Ziel, dass der Besucher sich ein weiteres Mal „erleichtert“!

Die Klofrau auf dem Stuhl

Das allein aber reicht nicht aus, um die besondere Wirkung zu entfalten – es fehlt die Klofrau auf dem Stuhl! Sie trägt nicht zufällig einen weißen Kittel. Der weiße Kittel verleiht ihr etwas Offizielles, Seriöses und Autoritäres. Sie muss auch anwesend sein, sonst zahlen nur wenige Besucher. Daher verlässt sie ihren Platz zum Putzen nur, wenn keine Besucher auf der Toilette sich befinden. Die Hoffnung, sie sei weg, wenn man selbst die Toilette verlässt, dürfte kaum in Erfüllung gehen.

Der Teller mit Münzen

Sie kontrolliert auch sorgsam die Münzen im Teller. Ein wichtiger Baustein im Funktionieren des Ganzen! Wer „freiwillig“ bezahlt, der orientiert sich meistens an anderen und schaut daher zuerst auf den Teller, um abzuschätzen, was andere bezahlt haben. Daher achtet die Klofrau auf zwei Aspekte beim Teller, der sorgfältig präpariert wird.

Zum einen müssen sich die richtigen Münzen auf dem Teller befinden! Möchte man beispielsweise 50 Cent bekommen, lässt man keine kleinere Münzen im Teller, sondern wenige 50 Cent und ein paar 1 Euro Münzen. Menschen orientieren sich bei freiwilligen Abgaben an anderen, daher werden die meisten 50 Cent abgeben und andere sogar 1 Euro.

Zum anderen darf es nicht zu viele Münzen im Teller geben, sonst denken sich die Besucher, es haben genug Leute gezahlt oder dass die Klofrau bereits genug eingenommen hätte mit der Folge, dass sie selbst nicht mehr zahlen würden.

Wer das nicht glaubt, kann das beim nächsten Mal selbst prüfen. Einfach mal viele Münzen mit Kleingeld in den Teller füllen und abwarten was passiert oder etwas später wiederkommen. Diese Münzen verschwinden vom Teller!

Am Ende – der Klomann

Übrigens funktioniert das Ganze auch mit einem Klomann! Und letztens habe ich von einem Restaurant in Asien gehört, das wie eine Toilette aussieht. So schließt sich der Kreis…
Inspiriert von der Radiosendung auf WDR5 am 10.01.11 um 16:30.


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