Schöne Erinnerung und das Mittelmass

Schöne Erinnerung Erinnerungssnapshot – Photo by jef safi

»Das waren die besten Vorträge bisher!«

Schnell waren meine Kollegen und ich uns darin einig, dass die Präsentationen in diesem Kick-Off insgesamt die Besten aller Kick-Offs waren. Immerhin hatten wir schon an die neun Kick-Offs hinter uns. Jedes der Kick-Offs enthielt mehr oder weniger (eher mehr) als sechs Stunden Vorträge, damit konnte also jeder von uns auf mehr als 54 Stunden Erfahrung zurückblicken!

Wie konnten wir uns zu so einer superlativen Äußerung hinreißen lassen? Nein, wir hatten nichts alkoholisches getrunken noch anderweitig uns berauscht! Und – sagten das nicht alle nach jeder Veranstaltung? Ich musste nachdenken – soweit ich mich erinnere, war das wirklich so!

Süße Erinnerungen

Die Vorträge sind wirklich immer wieder überraschend gut. Es herrscht dann immer ein freudig-gespannte Erwartungshaltung, was diesmal kommen wird und vor allem, ob es das Vorjahr zu toppen vermag. Sofern ich mich erinnere, ist dies den Veranstaltern jedes Mal gelungen.

Schon wieder fällt das Wort „erinnern“.

Es muss doch mehr dahinter stecken als nur tolle Vorträge, denke ich mir als Hobbypsychologe. Etwas, von dem auch andere und ich profitieren können!

Als Berater im IT-Umfeld hat man ja leider nicht immer die Möglichkeit, spannende und spektakuläre Vorträge zu halten. Meist sind sie sehr technisch und trocken. Und doch kann man mit einer einfachen Regel in der Erinnerung der Zuhörer einen besseren Eindruck hinterlassen. Diese Regel heißt Peak-End Rule [1].

Das psychologische Experiment

Der Psychologe Kahneman [2] hat in verschiedenen Experimenten das Thema Erinnerung untersucht und für seine Arbeiten den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Stellen Sie sich vor, sie müssen zwischen den folgenden beiden negativen Optionen (negativ, da anschaulicher) entscheiden:

  1. Sie hören einen verdammt langweiligen einstündigen Vortrag.
  2. Sie hören den Vortrag von 1. und fünf weitere Minuten mit dem besonderen Unterschied, dass in diesen fünf Minuten der Vortrag besser wird.

Das verblüffende Ergebnis

Für welchen der Optionen würden Sie sich entscheiden? Das liegt doch klar auf der Hand, meinen Sie jetzt bestimmt. Wenn es so einfach wäre, könnten wir an dieser Stelle aufhören. Die Antwort allerdings hängt von dem Zeitpunkt der Befragung ab.

Fragt man Sie vor dem Experiment, dann werden Sie sich höchstwahrscheinlich für das Erste entscheiden. Fragt man Sie jedoch am Ende der Vorträge, würden Sie sich für den zweiten Vortrag entscheiden!

Erinnerung und Zufriedenheit

Woran liegt das? Wenn wir uns an Vergangenes erinnern und versuchen, es zu beurteilen, dann können wir uns nicht an alle Details erinnern. Deshalb achten wir auf zwei Ereignisse: dem Höhepunkt und dem Endpunkt. Aus diesen beiden bilden wir eine Art Mittelwert!

Für unseren Vortrag aus 2. bedeutet das, da es am Ende etwas besser als im Mittelteil war, wird es insgesamt besser als 1. bewertet.

Das Geheimnis des Erfolgs unseres Kick-Offs

Nun können wir auch das „Geheimnis“ des Kick-Offs lüften! Das letzte Kick-Off ist damit das aktuellste. Weiterhin wurde das Kick-Off raffiniert durchchoreographiert!

Die ersten beiden Stunden starten mit bekannten und erwarteten Themen zur Firma. Im zweistündigen Mittelteil erfolgt dann die Steigerung und Höhepunkt mit den überraschenden und unerwarteten Themen. Gefolgt von einem bekannten und erwarteten Thema über die Zahlen des Geschäftsjahrs und wieder Steigerung zum Schluss u.a. mit humoresken Selbstenthüllungen der Unternehmenspartner.

Tipps für den Berater

Was kann der Berater hieraus für sich gewinnen? Sehr vieles! Denn diese Regel gilt nicht nur für Vorträge, sondern auch im Umgang mit anderen Menschen und dem Eindruck, dem wir bei ihnen hinterlassen. Hier nur eine kleine Anregung.

Im Privaten können wir bsp. den Tag oder Ihren Urlaub so gestalten, dass immer ein Highlight dabei ist und der Tag, das Event oder der Urlaub positiv beendet wird. Natürlich gilt das auch für geschäftliche Veranstaltungen.

Projekte sind hart und anstrengend. Daran kann man wohl kaum viel ändern. Dennoch kann man versuchen, das Ende eines Projektes angenehmer zu gestalten, in dem man das Projektende etwas ausdehnt, d.h. verlängert und vielleicht auch durch ein schönes gemeinsames Event ausklingen lässt!

Auch im Umgang mit Kunden lässt sich viel ableiten [3]. Was ist wichtig für meinen Kunden? Womit kann ich ihn überraschen? Was soll ihm im Gedächtnis bleiben, wenn der Kunde sich an mich erinnert? Also die stärksten Argumente im Mittelteil als Höhepunkt platzieren und für ein positives Ende sorgen.

Übrigens – „Je rascher auf einen intensiven Höhepunkt das Ende folgt, desto schöner bleibt das Ganze in Erinnerung.“ [4] Es ist also am besten, aufzuhören, wenn es am schönsten ist:-)

Quellen / Links

[1] Peak-end rule (Wikipedia)
http://en.wikipedia.org/wiki/Peak-end_rule

[2] Daniel Kahneman (Wikipedia)
http://en.wikipedia.org/wiki/Daniel_Kahneman

[3] Die “Peak-End-Rule”
http://www.hot-akademie.de/service/tipps-archiv/selbstorganisation/die-peak-end-rule.html

[4] Aufhören, wenn es am schönsten ist?
http://www.abendblatt.de/vermischtes/kolumne/article1326831/Aufhoeren-wenn-es-am-schoensten-ist.html


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